20 März 2015| Zykow, Pjotr Michailowitsch aufgeschrieben von Aljoschina Tatjana

Mein Dienst als Flieger

zikov

Pjotr Michailowitsch Zykow

Meine Großmutter wohnte in Naro-Fominsk. Sie hat da als Weberin in einer Textilfabrik gearbeitet. Ein Kaufmann hatte dort einst diese Fabrik und kasernenartige Unterkünfte, in denen die Arbeiter untergebracht wurden, gebaut. In diesen Behausungen lebten die Menschen auf engstem Raum miteinander. Sie teilten sich eine Küche. Ich kann mich an diese Verhältnisse noch erinnern. Das Leben war hart, es bestand nur aus Arbeit. Nur am Sonntag hatten die Leute frei. Dann gingen alle auf die Wiese vor der Stadt hinaus, wo sie Lieder sangen und sich betranken sich. Aus den Gesprächen mit meiner Großmutter erinnere ich mich noch, dass die Großmütter mit den Machthabern nicht zufrieden waren. Doch das Leben nahm trotz der grausamen Ausbeutung seinen Lauf. Und jetzt hört man die Leute immer wieder klagen: „Irgendwie leben wir heute schlechter als früher“.

Ich bin 1923 geboren worden. An Hunger als solchen kann ich mich in den Dreißiger Jahren nicht erinnern. Es herrschte allerdings eine Atmosphäre einer gewissen finsteren Erwartung von irgendetwas, wovor sich alle fürchteten. Es war ein Leben in Angst.

Während des Bürgerkrieges hat mein Vater als Maschinengewehrschütze bei der Kavallerie gedient. Als der Krieg aus war, ist er zurückgekehrt und hat die Weberin Anna geheiratet. Er hat zunächst auf einer Traktoren- und Landmaschinenstation gearbeitet, und dann später, als die ersten Autos aufkamen, angefangen, als Chauffeur im Lebensmittelhandel sein Geld zu verdienen. 1934 ist dann meine Mutter schwer krank geworden und dann gestorben. Etwa ein Jahr später hat mein Vater eine junge Frau geheiratet. Wir haben mit ihr harmonisch zusammengelebt. Daraufhin hat mein Vater für unsere Familie in Naro-Fominsk in der Nationalstraße ein Haus gebaut. So sind wir diesen kasernenartigen Unterkünften entkommen. Meine Eltern hatten schon vor mir ein Mädchen bekommen, das jedoch schon als kleines Kind gestorben ist. Sie hat weniger als ein Jahr gelebt. Sie ist an irgendetwas erkrankt und daran dann gestorben. Im Jahre 1936 hat dann meine zweite Mutter meinen Bruder Jura geboren.

Mein Vater hat im Wehrkreiskommando als Chauffeur gearbeitet und die Leiter dieser Dienststelle gefahren. Meine Stiefmutter hat in einer Druckerei gearbeitet. Ich dagegen habe von der Luftfahrt geträumt. Ich habe mir vorgestellt, dass ich nicht zu Fuß zur Schule gehe, sondern im Laufschritt, als ob ich fliegen würde. Ich habe davon geträumt, einmal ein Flugzeug zu fliegen. Einmal kam der bekannte Pilot Pawel Georgiewitsch Golowin auf einer „Polikarpow PO-2“ zu uns in die Stadt. Er hat viel von der Arktis gesprochen und den Kindern Schokolade geschenkt. Ich habe da gedacht: „Was ist das doch für eine feine Sache, ein Pilot zu sein. Die bekommen Schokolade!“ Dabei haben wir, wie man so sagt, Brot nicht einmal von hinten gesehen. Schon ein Jahr vorher waren zu uns Piloten aus dem Klub für Flugamateure aus Serpuchow in die Stadt gekommen. Sie hatten einige Jungs von uns mitgenommen, die schon größer waren. Ich war damals noch klein. Sie hatten uns zu sich gerufen und mit uns angefangen zu sprechen. Zu mir hatten sie damals aber noch gesagt: „Du möchtest Pilot werden? Weißt du, du bist noch zu schwach, das ist zu schwer für dich. Frage doch in einem Jahr noch einmal nach! Vielleicht bist du bis dahin dann etwas größer. Jetzt jedoch noch nicht“.

Ich war damals in der neunten Klasse. Aber das Lernen in der Schule fand ich nicht interessant – Chemie lernen und Technisches Zeichnen. Wofür sollte ich das alles brauchen? Ich war nachlässig, was die Schule betrifft. Doch in meinem Gedächtnis ist alles das hängengeblieben, was ich wissen musste. Eigentlich war ich nur ein ganz durchschnittlicher Schüler, doch ich habe immer alles verstanden und es mir auch merken können.

Als der Krieg begann, hat mein Vater mich gefragt: Wohin möchtest du? Ich erwiderte: Ich würde gerne zu den Fliegern. – Gehe nur nicht zur Kavallerie. Ich – meinte er – habe dort gedient und weiß, was das heißt. – Vielleicht zur Artillerie? —  Zur Artillerie kannst du gehen. Bald flatterte dann auch meine Einberufung ins Haus. Mein Vater kam aus dem Wehrkreiskommando nach Hause und meinte: „In der Fliegerschule hat man schon angefangen, die Leute einzuweisen. Ich würde mich beeilen“.

Und so wurde ich zusammen mit sieben Jungs, mit denen ich zusammen die Schulbank gedrückt hatte, in die Fliegerschule von Stalinogorsk [1] geschickt. Auf Basis des dortigen Klubs für Flugamateure hatte man da eine Fliegerschule organsiert, wo wir die grundlegenden Dinge erlernen sollten. Die Deutschen waren jedoch schon ganz nahe und so wurden wir Offiziersschüler nach Tschuwaschien evakuiert. Im September kamen wir dort auf unserer Basisstation in der Stadt Kanasch an und wurden in den dortigen Kasernen untergebracht. Es begannen Tage intensiven Studiums und dort habe ich nun auch angefangen, mich ganz auf das Lernen zu konzentrieren. Ich habe alle meine Launen und meinen Unwillen einfach über Bort geworfen und begonnen, fleißig zu sein und habe so diese Ausbildung mit „Auszeichnung“ abgeschlossen. Als dann später übrigens die Trainingsflüge begannen, war ich einer der ersten in meinem Kurs, der ganz selbständig in die Luft aufsteigen durfte. Im Oktober des Jahres 1942 haben wir unsere Ausbildung dort abgeschlossen. Man hat uns in zwei Trupps formiert. Der eine wurde in die Nähe von Iwanowo geschickt, in eine Fachschule, in der Piloten von Jagdbombern ausgebildet wurden. Der zweite wurde zu den Jagdfliegern geschickt, in eine Stadt etwa einhundertzwanzig Kilometer von Saratow entfernt – nach Krasnyj Kut. Dorthin hatte man die Katschiner Fachschule für Luftverteidigung evakuiert. Rundherum war dort überall Steppe. Es gab also wunderbare Bedingungen für Trainingsflüge. In dieser Fachschule studierten ungefähr zweitausend Offiziersschüler.

Ich muss sagen, dass es innerhalb der Einheit im Grunde genommen kameradschaftlich zuging. Wir haben uns gegenseitig geholfen. Ich habe zum Beispiel während des Krieges noch geraucht und wir Jungs haben immer Tabak und Zigaretten miteinander geteilt. Die Tschuwaschen und Mordower —  es sind Menschen jüdischer Nationalität – haben sich dagegen immer etwas abseits gehalten. Sie waren Fremden gegenüber sehr verschlossen. Die „eigenen Leute“ haben sie alle wie Verwandte behandelt, die Anderen jedoch waren für sie Fremde. Unter uns Offiziersschülern gab es auch einige, dessen Eltern für die Faschisten arbeiteten. Diese Offiziersschüler wurden dann, wenn dies bekannt wurde, von der Ausbildung ausgeschlossen. Es ging zum Teil sehr hart zu. Ich erinnere mich noch, wie einmal ein Soldat einen Offizier nicht gegrüßt hat. Er wurde wegen der Verletzung der Dienstvorschriften in die Kommandantur gebracht, wo man ihm vier Stunden Arbeit aufgebrummt hat – er musste Holz sägen. Die Zeit des Wartens auf das praktische Fliegenlernen war lang. Es gab Engpässe mit dem Treibstoff und auch die  Flugzeuge waren meist alt und abgenutzt – verschlissene I-16 mit alten Motoren, die alle repariert werden mussten. Der Leiter der Fachschule war der Generalleutnant und zweifacher Held der Sowjetunion Denisow, und er war es, der frühere Absolventen der Fachschule in deren Regimentern angerufen hat, um sie zu fragen, ob sie uns nicht einige Ersatzteile ihrer Flugzeuge abtreten könnten, die sie nicht brauchen. Um diese aus einem Regiment, das in Karelien stationiert war, in die Fachschule zu holen, wurde eine Gruppe aus fünf Mann gebildet. Zu dieser Gruppe gehörte auch ich.

Wir kamen also nach Archangelsk und mussten von dort aus noch 12 Kilometer zu Fuß durch den Wald gehen. Der Kommandeur des Regiments empfing uns und sagte nur: „Macht euch an die Arbeit. Ihr wisst, was ihr tun sollt. Doch seid darauf gefasst, dass wir in Kürze einen Zug mit neuen Flugzeugen erwarten“. Sie hatten Flugzeuge vom Typ Lawotschkin LaGG-3. Sie waren alt und abgenutzt. Ich weiß noch, wie man uns eines Morgens geweckt hat, um nach Kräutern zu suchen, aus denen man uns dann ein Frühstück bereitet werden wollte. Wir gingen also in die Heide und kehrten etwa nach drei-vier Stunden mit riesigem Hunger zurück. Man hatte uns nur etwas Brot zugesteckt, denn es gab nichts anderes, was man uns hätte mitgeben können. Gegen vier Uhr hat man dann schnell das Feuer angeheizt und etwas zu essen zubereitet – es war Frühstück und Mittag zugleich. Eigentlich stand uns nach der Norm auch Fleisch zu. Dieses wurde jedoch in Kasachstan zubereitet und so bekamen wir meist Kamelfleisch. Kamele liefern dort bei den Kasachen nicht nur Fleisch, sondern sie dienen auch als Arbeits- und Transportmittel. Geschlachtet wurden dann die, die schon zu nichts mehr zu gebrauchen waren – also die alten und kranken. Mit ihrem Fleisch wurden wir dann verpflegt. Stellen Sie sich vor, Sie nehmen ein Stück Gummi in den Mund und versuchen es durchzubeißen, denn kauen lässt es sich ja nicht. Man kaut deshalb ein wenig darauf herum, saugt den Saft heraus und spuckt es dann wieder aus.

Wir wurden vom Techniker der Abteilung eingewiesen. Er hat uns gesagt, welche Teile wir mitnehmen können. Unsere Sache war es, die Schrauben zu drehen. Einmal kam der Ingenieur des Regiments zu uns und sagte:

— Los, alle zum Aufladen der neuen Flugzeuge.

Wir zu ihm:

— Man hat uns aber hierher geschickt, um für unsere Fachschule zu sorgen!

Daraufhin ging er zum Kommandeur. Der Regimentskommandeur rief uns zu sich und sprach:

— Wir haben niemanden, der die Flugzeuge aufladen kann, doch wir brauchen sie hier sehr. Helft uns bitte!

Und so haben wir beim Aufladen geholfen. Wir haben sie auf Plattformen gerollt, die auf zwei Baumstämmen befestigt war. Diese wiederum waren auf Ski gelagert. Ein Traktor hat diese Plattformen dann gezogen und wir sind nebenher gegangen und haben den Weg vom Schnee befreit. Auf diese Weise haben wir dreißig Flugzeuge auf die Station verfrachtet. Nachdem wir dann auch neue Wagen auftreiben konnten und die Beschaffung der Ersatzteile für unsere Flugzeuge abgeschlossen war, sind wir in unsere Fachschule zurückgekehrt. Wir hatten gedacht: „Jetzt haben sie dort schon ohne uns mit dem Flugtraining angefangen“. Aber nein, davon war noch gar keine Rede. So zog sich die Zeit hin. Wir haben erfahren, dass man während unserer Abwesenheit zwei Bataillone mit Offiziersschülern zusammengestellt hat und sie in die Kämpfe um Stalingrad geschickt hat. Es waren alle die gesandt worden, die nach uns an die Fachschule gekommen waren. Es muss gesagt werden, dass zum Fliegen eine gute Ausbildung und viel praktische Erfahrung nötig sind.

Einmal hat man uns antreten lassen und uns gesagt: „Es werden für eine Schiffsreparaturwerft in Saratow einige Dutzend Mann gebraucht“. Unsere Fachschule bezog von dieser Werft Flüssigkeit für das Erwärmen von Wasser und Öl, um es in die Motoren geben zu können, denn kalte Motoren sprangen nicht an. Nun war die Zahl der Arbeiter auf der Werft flink geschwunden und nur Alte und Frauen waren geblieben. Wegen dieser Sonderaufgabe bin ich erneut in einen speziellen Trupp geraten und habe im Hinterland gearbeitet.

Wir haben auf einem zweistöckigen Feuerlöschschiff am Ufer der Wolga gewohnt. Einen Monat später wurde Saratow von der Luftwaffe der Deutschen angegriffen. Am nächsten Morgen rief man uns: „Sofort alle Offiziersschüler zum Wiederaufbau eines Betriebes“. Wir wurden dorthin gebracht und, als wir ankamen, bot sich uns folgendes Bild: Es gab keine Dächer mehr und die Werkhallen waren zerstört. In Friedenszeiten wurden hier Landmaschinen produziert, während des Krieges dann Flugzeuge vom Typ Jak-3. Nachdem wir die Werkhallen wieder hergerichtet hatten, haben wir uns erneut den Angelegenheiten unserer Fachschule zugewandt und noch ein ganzes halbes Jahr dort gearbeitet.

Zurück in der Fachschule haben wir uns dann wieder mit der Theorie beschäftigt. Ich bin damals den Theoriekurs wahrscheinlich schon das dritte Mal durchgegangen – von Anfang bis zum Ende. Man hatte uns sechzig polnische Offiziere geschickt, denen wir das Fliegen beibringen und sie zu Piloten machen sollten. Sie haben getrennt von uns studiert und sind vor und nach dem Unterricht in die Kirche gegangen. Wir hatten zu ihnen keinerlei Kontakt. Nur manchmal, wenn es irgendwelche Feierlichkeiten im Klub gab oder man uns einen Film gezeigt hat — zum Beispiel: „Adoptiertes Glück“. Das erste Mal habe ich in dem amerikanischen Musical „Die Stubenfee“ die Romanze „Kalitka“ gehört. Sie hat mir sehr gefallen. Im Klub haben wir die Polen einmal gefragt:

— Helft ihr uns die Deutschen zu besiegen?

— Nein, wir werden unsere eigenen Piloten ausbilden. Man wird uns nicht an die Front schicken.

Nachdem die Polen die nötige Ausbildung bekommen hatten, hat man sie mit sechzig Flugzeugen vom Typ Jak-3 wieder in die Heimat zurückgeschickt.

Als die Meldung kam, dass der Krieg aus war, hatte ich gerade Wache. 1945 waren an der Fachschule noch immer viele Offiziersschüler, die keine Praxis im Fliegen hatten. Alle wurden in Fliegerstaffeln aufgeteilt und es wurde damit begonnen, ihre Fähigkeiten zu prüfen. Die, die zeigen konnten, dass sie fliegen können, hat man in der Schule belassen. Die jedoch, denen es nicht gelang, wurden nach Hause geschickt. Ich durfte bleiben. Ich habe zunächst Ausbildungsflugzeuge geflogen und wurde dann in eine Flugstaffel eingeteilt, in der es schon Kampfflugzeuge gab. Während der Flüge ist es auch zu Unfällen gekommen. Ich erinnere mich noch wie ein junger Pilot, ein Offiziersschüler, zum Landen aufgesetzt hatte und seine Maschine dann plötzlich explodiert ist. Er hatte zu viel Gas gegeben, doch die Tanks hatten ein Leck und so haben die Feuerzungen aus dem Motor das gesamte Flugzeug mitsamt dem Piloten wie eine Kerze abbrennen lassen. Es war mein Freund Fedja Tscherwjakow aus Moskau.

Nach Beendigung der Fachschule wurde ich für ein Jahr auf eine Hochschule für Flugzeugbau nach Grozny geschickt. Das war im Jahre 1947. So musste ich noch einmal die Schulbank drücken, ohne auf moderneren Flugzeugen geschult zu werden. Ich absolvierte dort  einen Kurs in Pädagogik. Grozny liegt zwischen zwei Gebirgszügen, dem Sunshen und dem Terek. In den Bergen dieser Gebirgszüge hielten sich auch nach dem Krieg noch die tschetschenische Banditen versteckt. Da wir mit unseren Flugzeugen in große Höhen aufgestiegen sind, haben sie uns nicht beschossen. Doch bei den Jagdfliegern hat es einige Fälle gegeben, bei denen diese von den Banditen von den Bergen aus beschossen worden sind.

Nach Beendigung der Kurse bin ich in die Fachschule von Katschinsk geschickt worden und habe dort einen ganzen Sommer als Ausbilder gearbeitet. In dieser Zeit sind dorthin auch Vertreter aus einer Fliegergarnison gekommen und haben mir vorgeschlagen, zu ihnen umzuziehen, um neue Düsenflugzeuge zu fliegen. Das fand ich interessant und so habe ich zugesagt. Wie es sich später zeigte, lag der Grund, warum sie zu uns gekommen sind, um uns zu anzuwerben darin, dass Piloten für Sonderaufgaben gebraucht wurden.

1949 bin ich dann nach Kubinka umgezogen. Zu diesem Zeitpunkt war ich bereits verheiratet und meine Frau war zunächst gegen diesen Plan. Ich habe ihr aber erklärt, dass die Bedingungen in der Fachschule nicht die besten sind und dass das Miteinander in den Garnisonen viel besser sein wird. In der Fachhochschule war ich nämlich für alle immer noch der alte Offiziersschüler.

Alexej Anastasowitsch Mikojan

In Kubinka sind wir vom Bahnhof bis zum Flugplatz zu Fuß gegangen. Plötzlich sahen wir einen „Pobjeda“ angefahren kommen, der dann aber auf einmal im Schnee stecken blieb. Aus dem Wagen ist Iwan Nikitowitsch Koshedub ausgestiegen. Ich habe ihm geholfen, das Auto aus der Schneewehe zu befreien. Als wir dann endlich angekommen waren, wurde uns ein Zimmer im Wohnheim der Garnison zugewiesen. Ich habe begonnen, intensiv die Technik zu studieren und mich mit den Besonderheiten, die es beim Fliegen von Düsenflugzeugen gibt, vertraut zu machen. Bereits nach zwei Monaten haben wir dann angefangen zu fliegen. Ich habe mich mit den neuen Flugzeugen schnell zurechtgefunden und später dann an drei Paraden über dem Roten Platz anlässlich der Maifeierlichkeiten und am Tag der Luftstreitkräfte teilgenommen, wie auch an Übungsmanövern in Kalinin [2]. Übrigens war Alexej Anastasowitsch Mikojan [3] in der Regel mein Kettenführer. Er ist voraus geflogen und ich habe ihn von hinten gedeckt.

Im Dezember rief man uns mit dem Vorwand eines Gefechtsalarms zusammen und uns wurde mitgeteilt, dass man uns auf eine Dienstreise zu schicken beabsichtigte. Unser Regiment wurde in zwei Trupps geteilt. Die eine Hälfte blieb vor Ort, die andere Hälfte, zu der ich gehörte, musste sich noch am gleichen Tag „auf diese Dienstreise“ aufmachen. Niemand hat uns etwas Genaueres mitgeteilt. Man hat uns nur gesagt, dass wir uns von unseren Familien verabschieden sollen. Dann wurden wir in Waggons gesetzt und los ging es. Wir fuhren und fuhren. Zunächst durch Swerdlowsk, dann am Baikalsee vorbei bis nach Irkutsk. Am Baikalsee sind wir ausgestiegen und wollten baden, doch das Wasser war eiskalt! Wir haben dort auch rohen Lachs probiert. All das ist mir im Gedächtnis geblieben. Dort haben wir auch Sibirischen Wodka aufgetrieben. 60 Prozentiger Alkohol! Die, die so etwas mögen, haben sich davon ein paar Flaschen mitgenommen. Wir sind weiter bis an die Grenze gefahren, wurden dort in einen chinesischen Zug verfrachtet und sind dann bis in die Stadt Anschan gebracht worden.

Als wir dort ankamen, wurden uns Karten ausgehändigt und der Kurs angegeben. Niemand hat verstanden, was eigentlich vor sich ging. Zwei Tage später bekamen wir dann endlich einen Befehl. „Alle, die Fliegen unterrichten können, werden vor Ort belassen, um dort chinesische Piloten auszubilden. Alle anderen werden an die koreanische Grenze geflogen nach Yuan Dun“. Wir hatten es schon mitbekommen, dass in Yuan Dun Krieg herrschte, und verstanden nun, dass wir dort in die Kampfhandlungen eingreifen sollten. Die amerikanische Luftwaffe hatte dort erhebliche Vorteile. Die Koreaner hatten keine Piloten, die Flugzeuge mit Düsenantrieb fliegen konnten. Sie hatten damals noch keine Düsenflugzeuge, sondern nur unsere russischen Flugzeuge vom Typ Lawotschkin La-5 und La-9.

Also haben wir angefangen, die Chinesen zu schulen. Sie verstanden Russisch, denn sie hatten vorher eine Zeit lang in Russland studiert. Nachdem wir mit ihnen das Flugtraining abgeschlossen hatten, hat man unser Regiment wieder vereinigt, um Kampfflüge durchzuführen. Die Cockpits der Piloten waren mit Funk ausgestattet. Über diesen konnten wir hören, dass die Beobachtungsposten einen verschlüsselten Funkspruch durchgaben. „Eine Gruppe von Jagdbombern ist auf dem Weg eine Brücke zu bombardieren. Als Erster erhob sich Kosheduba in die Lüfte, um der Gruppe von Jagdbombern entgegenzutreten. Ein Kampfflugzeug hat drei Kanonen, die ausreichten, einen Bomber in Fetzen zu schlagen. Wenn ein Kampfflugzeug auftauchte, haben die Bomber sich lieber aus dem Staub gemacht, statt ihre Bomben abzuwerfen. Nur um einem Angriff zu entgehen! Auch wir sollten in die Lüfte aufsteigen und wir wurden vorgewarnt: „Die Feinde sind in Begleitung von Kampfflugzeugen. Seid vorsichtig!“ Wir sind zu Viert gestartet, sind immer höher gestiegen und haben dafür die maximale Steigfluggeschwindigkeit gewählt. Vom Boden aus wurde uns mitgeteilt: „Es fliegt noch eine weitere Gruppe, greift die Bomber an!“ Unsere Vierergruppe flog voraus zum Angriff. Doch in diesem Moment wurde auf uns das Feuer eröffnet. Auf uns schoss der – wie wir ihn nennen – Kampfflieger „Narr“. Wir erwidern das Feuer und nahmen ihn ins Visier. Ich manövrierte so, dass ich nicht in die Schusslinie meines Kettenführers gelangte. Doch da sah ich, wie der „Narr“ kehrt machte und nach unten abdrehte. Ich folgte ihm. Mein Kettenführer drehte auch um und ließ sich fallen. Ich flog näher an ihn heran und fragte ihn mit Hilfe von Gesten: „ Es ist doch der Befehl gegeben worden, die Jagdbomber anzugreifen!“. Er flog neben mir auf gleicher Höhe und zeigte mir, dass es um sein Flugzeug schlecht steht und dass er hinabsteigen und landen muss. Doch niemand hatte auf ihn geschossen! Ich begann wieder in die Höhe zu steigen, doch dann sah ich, dass auch mein Treibstoff zu Ende ging und dass ich selbst zum Boden zurückkehren musste. Normalerweise hat man einem Piloten für ein vorzeitiges Landen einen Verweis erteilt. Doch hier waren wir nicht mehr im Großen Vaterländischen Krieg, deshalb war dies nichts Schlimmes.

Unter uns war auch ein Pilot aus der Ukraine. Er hat immer einmal gesagt: „Ach die Ukraine! Russland hat ihr all ihr Mark und ihre Lebenssäfte ausgesogen“. Er meinte, dass die Ukraine ganz Russland mit Nahrungsmittel versorgen würde. Er meinte weiter, dass das wichtigste, was von Stephan Bandera dort übrig geblieben sei, die Idee einer unabhängigen und selbstständigen Ukraine ist. Diese Ideologie haben auch einige der Mächtigen unseres Landes gepredigt, zum Beispiel N. Chruschtschow. Wenn man jetzt die Vergangenheit analysiert, dann frage ich mich: Warum hat Chruschtschow die Krim, Nikolaew, Odessa, das Donezkbecken, Cherson und Charkow der Ukraine gegeben? Er meinte damals, man müsse die Ukraine unterstützen. Es scheint aber eher so gewesen zu sein, dass er dort wie ein kleiner Zar angesehen werden wollte. Chruschtschow war es, der die Luftstreitkräfte und die Marine abrüsten ließ und alles auf Raketentechnik gesetzt hat. Doch es sind Menschen, die man braucht! Alles wird mit Menschen gemacht, nicht aber mit Raketen!

Es ist bekannt, dass während des Krieges die Westukrainer aktiv mit den Deutschen kollaboriert haben. Die Leute um Bandera sind völlig zu den Faschisten übergetreten! Heute haben die Leute aus der Westukraine, sowie auch Tschechen, Ungarn und Polen Kiew besetzt. Als wir noch zu Sowjetzeiten einmal in einem Sanatorium in Lwiw Urlaub gemacht haben, hat eine Masseuse meiner Frau gesagt: „Jetzt kommt das Proletariat aus der Sowjetunion zu uns. Die geben uns nur eine Schachtel Pralinen oder eine Tafel Schokolade. Doch als noch der Pole hier war, hat er einem einen Ring, ein Armband oder eine Halskette dagelassen“. Diese Leute dort sind schon lange gegen uns gestimmt.

Auszeichnungen für den Großen Vaterländischen Krieg habe ich nur eine bekommen — die Medaille zum Sieg über Deutschland. Andere Auszeichnungen habe ich nicht. Ich war ja nicht an der Front. Mir hat aber auch das gereicht, was ich durchgemacht habe. Doch man wird nicht beweisen können, ob es nun aus eigenem Willen so gekommen ist oder nicht.

 

Aufgeschrieben von Tatjana Aljoschina für www.world-war.ru

 

 


[1] heute die Stadt Nowomoskowsk im Gebiet von Tula

[2] heute die Stadt Twer

[3] Alexej Anastasowitsch Mikojan – Generalleutnant der Luftstreitkräfte – Verdienter Fliegerpilot der UdSSR.

 

Uebersetzt von Henrik Hansen
www.deu.world-war.ru

 

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