26 Dezember 2011| Reschetnikow Wassilij Wassiljewitsch, generaloberst der Luftwaffe

General Loginow

W.G Tichonow, E.F. Loginow, A.I. Schaposchnikow, im Mai 1942

Am 13. Juli geriet die ganze Division in Aufregung. General Jewgenij Fedorowitsch Loginow war nicht von seinem Einsatz zurückgekommen. Regimenter bombardierten Truppenkonzentrationen beim Übersetzen über den Don bei Korotojak. Es wurde viel gefeuert, sowohl auf der Erde, als auch in der Luft. Die Ladung eines Großteils der Mannschaften bestand aus Rotationsbomben, die mit Keramikkugeln gefüllt waren, die eine brennbare Mischung enthielten. Sie flogen über große Flächen fächerartig auseinander, wobei sich ein Teil der Kugeln beim Zusammenprall in der Luft entzündete und in einem Strom grellweißen Feuers zur Erde ging. Unversehrt gebliebene Kugeln erhitzten sich dort und bildeten eine Menge unlöschbarer Brandherde von hoher Temperatur.

Aber auch von der Erde aus gab man uns aus allen Rohren Feuer: Man schoss nicht besonders hoch, dafür aber aus allen Kalibern. Sich unbeschadet zum Zielpunkt durchzuschlagen, war nicht einfach; zudem hingen die Rotationsbomben an den unteren Verschlüssen, so dass ein einziger Granatsplitter oder eine Kugel, die eine der Ampullen durchschlug, die Bomben entzündet und das ganze Flugzeug in Brand gesteckt hätte. Deswegen, und auch wegen des erhöhten Luftwiderstandes dieser plumpen Bremsklötze führten wir sie ungern mit, und zogen ihnen beliebige andere Arten konventioneller Bomben vor. Aber das Ding hatte Wirkung, und das musste man mit einbeziehen.

In jener Nacht befand sich Loginow in der ersten Staffel der Gefechtsordnungen der Division, an Bord des Flugzeugs des Staffelkommandeurs Major Urutin.

Wenn sich eine Division in der Luft befindet, ist der Platz des Kommandeurs am Kommandopunkt. Dort laufen alle Informationen zu Gefechtslage und Luftraum zusammen. Nur von dort aus lassen sich die Gefechtshandlungen der Geschwader leiten. Auf seine Entscheidungen in der sich verändernden Kampflage warten nicht nur die Mannschaften, sondern auch Moskau, d.h. der Befehlshaber der Luftstreitkräfte des Weitstreckenbereichs im Hauptquartier. Als Geschwaderkommandeur setzte sich Jewgenij Fedorowitsch nicht nur ein Mal ans Steuer, obwohl das für einen Kommandeur alles andere als einfach ist: Man versuche sich loszureißen, an so einem Posten. Er flog einfach kraft seiner Obliegenheiten als Kommandeur – Tag und Nacht. Er flog – es wäre untertrieben zu sagen, ausgezeichnet – er flog schön. Auch ein ungewöhnliches Flugzeug nach seinem Geschmack hatte er gefunden – den sportlichen Eindecker „UT-2“. Es kam vor, dass er zum Flugplatz kam, 500 Werst über dem Landepunkt den Motor ausschaltete, ruhig manövrierend bis zu den letzten Metern Spiralen und Achter drehte und kurz über der Erde das Flugzeug ausrichtend genau am „T“ landete. Der ganze Flugplatz hob den Kopf, um diesem Ballett zuzusehen. Aber welchen Sinn hatte es, dass Divisionskommandeure bei Kampflügen eingesetzt wurden? Auf der Erde mag einer Kommandeur sein, aber in der Luft, in einer Kampfstaffel, ist er einfacher Pilot. Deshalb setzten sich Divisionskommandeure bei Befehlen im Kampf selten ans Steuer, und dann nur nach überdurchschnittlich langen Pausen, wobei sie allmählich ihre Fähigkeiten im Nachtflug einbüßten. Und wenn die Notwendigkeit bestand, mit eigenen Augen die Organisation eines Angriffs zu bewerten und seine reellen Resultate zu beurteilen (was bald nach den diesbezüglichen Erlassen des Kommandeurs der Luftstreitkräfte im Weitstreckenbereich zum Reglement wurde, zu einer Dienstangelegenheit), holten sie sich die erfahrenste und zuverlässigste Besatzung an Bord.

Eine solche war die Besatzung M.N. Urutins. Michail Nikolajewitsch galt beinahe als der beste, erprobteste und unverwundbarste Pilot der Division, und die Wahl Loginows fiel nicht zufällig auf ihn. Wenn ein Divisionskommandeur den Platz am Steuer im Cockpit einnahm, so prüfte er damit in einem die Flugschulung und Kampffähigkeit des Flugzeugkapitäns und seiner Besatzung. Da war ein ernstes Examen, das die Besatzung anstandslos abzulegen bemüht war.

Urutin ging sein Ziel an, als ob er den Feuersturm nicht bemerkte, warf Rotationsbomben ab, bedeckte es mit einer neuen Flammenkuppel, und senkte – offensichtlich im Wunsch, dem Divisionskommandeur ein Bild der Zerstörungen des Objektes in allen naturalistischen Einzelheiten zu bieten – die ohnehin schon niedrige Höhe, kehrte für einen zweiten Überflug um, und geriet, ohne eine solch Möglichkeit vorherzusehen, unter plötzlich über ihm aufscheinende Leuchtbomben. Das Flugzeug, das von oben von Millionen Lichtern beleuchtet war, lag in den Zielfernrohren der deutschen Flakschützen wie auf der Handfläche. Die ließen sich die Chance nicht entgehen. Die Maschine erbebte, fing Feuer, und ging schräg nach unten. Urutin gab den Befehl zu springen.

Als Erstem war es an Steuermann Major Mazepras, die vordere Kabine zu verlassen, aber er trat dem General dieses Recht ab und öffnete die Luke, um ihm beim Ausstieg zu helfen. Die Absprache kostete einige Sekunden kostbarer Zeit. Hinter ihm stiegen die Funker und Urutin aus. Mazepras, einem nicht mehr jungen und sich nicht durch sportliche Gewandtheit auszeichnenden Mann, reichte offenbar nicht mehr die Höhe…

Loginow geriet ins Gestrüpp. Als er in den Seilen hing, erwischte ihn eine Kugel, aber flüchtig, als Durchschuss. Die Landung erwies sich ebenso als wenig erfolgreich. Er räumte seinen Fallschirm zusammen und versteckte sich. Rundherum wurde gekämpft. Man musste sich in seiner Lage zurechtfinden, aber eines war ihm sofort klar – bewegen konnte man sich nur bei Dunkelheit. Tagsüber beruhigte er seine Wunden und spähte den bevorstehenden Weg aus. Nach Nach Ablauf der dritten Nacht erreichte er den Don und machte sich ans Schwimmen.

Die Gefechtsvorposten an unserem Ufer nahmen den Schwimmer – um es wohlwollend zu sagen – nicht gerade respektvoll auf. Sonst noch etwas! Kommt da so ein verschmutzter Kerl von der Seite der Deutschen her angeschwommen und behauptet, er wäre sowjetischer General. Nur, dass er russisch spricht. Die Beziehungen blieben kühl. Aber über die Nachrichtenübermittlung an der Front war schon der Befehl ergangen, der Besatzung des abgeschossenen Bombers, an dessen Bord sich ein General befand, Hilfe zu leisten. Die Gefechtsvorposten verstanden sofort, um wen es ging, waren ratlos und bestürzt, doch der ungewöhnliche Gefangene trennte sich freundschaftlich von ihnen.

Bald hatte Jewgenij Fedorowitsch die Folgen dieses für den Krieg durchaus nicht außergewöhnlichen Dramas abgeschüttelt und war erneut in seine Sorgen als Kommandeur vertieft. Auf unsere Seite kehrten auch die am Leben gebliebenen Urutin, Garankin und Scharikow zurück. Nur Mazepras hatte aller Wahrscheinlichkeit nach die Maschine nicht mehr verlassen können.

Ich weiß nicht, gibt es das Dorf Pachanok bei Kursk, Anfang Sommer 1942 war es noch da. Dort hatten sich in einem Hain, unweit vom Dorfrand, deutsche Panzer konzentriert. Der Geschwaderkommandeur, der sich ihre Zerstörung zur Aufgabe gemacht hatte, stöberte mich unversehens auf.

„Du gehst als Erster. Du machst den Hain ausfindig und markierst ihn mit Rotations- und Brandbomben. Dein Steuermann wird Kapitän Dubjago sein“.

Iwan Lawrentjewitsch, der stellvertretende Chef des Geschwaderstabs, saß neben dem Kommandeur und zwinkerte mir zu, als er meinen Blick abfing.
„Wir setzen keine Leuchtbomben ein. Erkundigt euch beim Chef der Aufklärung über den Stand der Lage“, beendete Tichonow das Gespräch.

Der Aufklärer besaß wie immer keine umfassenderen Informationen als die, die er tags zuvor dem Kommandeur übermittelt hatte, und nachdem er auf großmaßstäblichen Karten jenes Wäldchen mit Kreuzen gekennzeichnet und möglichst zuverlässige Orientierungsmerkmale ausgewählt hatte, waren wir im Wesentlichen fertig zum Einsatz.

An den Außenverschlüssen hatten wir Leuchtbomben, innen Sprengbomben. Wie schon auf anderen Flügen, hatten die Funker für alle Fälle einige Achtkilobomben vom Typ AO-8 mit sich in der Kabine. Manchmal kam es vor, dass auf dem Anflug zum Ziel ein deutscher Scheinwerfer aufleuchtete und mit seinem Strahl vor der Nase hin- und her glitt, wobei er versuchte, ein Flugzeug für die Flak von unten zu beleuchten. Dann zielte der Steuermann gut, und die Funker warfen auf sein Kommando direkt aus der Hand eine Bombe durch die untere Einstiegsluke zu Füßen des Strahls. Das belustigte uns: Der hin- und her hastende Strahl erstarrte plötzlich zur Reglosigkeit und leuchtete in irgendeiner nutzlosen Position lange ins Nichts. Man konnte sich leicht vorstellen, wie die erschrockene Mannschaft von Beleuchtern vor der Bombe türmte, ohne dass ihr Zeit blieb, ihre Technik auszuschalten.

Wir lachten von Herzen und bereiteten eine neue Bombe für den nächsten günstigen Strahl vor. Pachanok flogen wir vor Einbruch der Dunkelheit an und erreichten das Ziel bei Dämmerung. Wir verglichen die umliegenden Orientierungspunkte mit der Karte – es gab keinen Zweifel: Vor uns lag jenes Wäldchen, in dem die Panzer sein mussten. Aber es gab nicht das geringste Lebenszeichen. Unsere Bomber waren fast angekommen und es gab kein Ziel… Die Nerven waren zum Zerreißen angespannt. Ich schimpfe und glaube schon niemandem mehr. Ich verliere an Höhe, kreise über dem Wäldchen. Ich lasse keinen Blick von ihm, unterscheide gut die einzelnen Baumkronen, aber unter ihnen – alles tot. Das Wäldchen schweigt, sich in abendliches Dunkel einhüllend, als ob es sich in eine frühe Gutenacht versenkte. Man möchte einfach keine Rotationsbomben in diesen stillen Segen werfen, in diesen Hort der Befriedung und Ruhe. Alles ist möglich, – denke ich, – die Aufklärer konnten sich auch dieses Mak irren, oder die Panzer sind im Vorgefühl eines Gegenschlags abgezogen.

„Nezhenzew“, rief ich den Funker und Schützen, „bereite mal deine Bombe vor“!

Iwan Lawrentjewitsch nahm Kurs auf die Mitte des vermeintlichen Ziels, und das Bömbchen glitt, so für alle Fälle, nach unten.

Mein Gott, was ging da los! Mir stockte schier der Atem. Es war, als ob man unversehens in ein Eisloch stürzte. Aus diesem Hain schlugen augenblicklich lawinenartig Dutzende von Feuertrassen nach oben, die die Maschine dicht in einen Bienenschwarm kleinkalibriger Geschosse hüllten.

„Verschwinde, Wassja, mach dich fort!“, rief Lawrentjewitsch.

Aber „Wassja“ suchte ohnehin schon Hals über Kopf das Weite aus diesem Teufelsbad. Ihr Hunde, fressen könnt ihr! Die Seele der Deutschen zitterte wirklich, nicht ein einziges unglückliches Bömbchen hielt sie aus.

Rotationsbomben konnte man nicht abwerfen, die Höhe reichte nicht aus, damit sie zur Wirkung kommen konnten. Wir erreichen die vorgeschriebenen 1500 m Höhe und erkennen schon im Strom der herbeigeeilten Flugzeuge das Panzerlager. Das aus ihm schlagende Flakfeuer diente jetzt allen als gute Zielmarkierung.

Vor unseren Augen verwandelte sich das Wäldchen: Rauch quoll aus ihm, Feuerzungen schlugen heraus, Explosionen folgten. Beim zweiten Überflug verebbte das Kanonenfeuerwerk merklich, aber die Rotationsbomben verursachten immer neue Brandherde. Selbstverständlich nimmt man so ein Ziel mit einem Schlag. Den Besuch nach der Art von Pachanok mit Schlägen auf ähnliche Panzergruppen wiederholten wir zweimal beim Dorf Frolowka, bei Mzensk.

Quelle: Wassilij Reschetnikow, Was war — das war: Im Bomber durchs Flakfeuer. Moskau Jausa: Eksmo, 2010, S. 171-175.

Uebersetzt von Priester Thomas Diez

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