9 Dezember 2013| Kudrjaschow Konstantin

«Der blonde Recke» oder «der Bauerntölpel»?

Александр Покрышкин, 1942 год. Фото: РИА Новости

Alexander Pokryschkin, 1942. Foto: RIA Nowosti

Ja, ja, genau der, bei dem es immer hieß: „Achtung, Achtung! Pokryschkin ist im Anflug!“ — das berühmte Ass am Himmel mit seinem Jagdbomber, der noch während des Krieges drei Mal mit dem Orden „Held der Sowjetunion“ ausgezeichnet wurde. Mit einem Wort – er ist eine Legende. Es sei übrigens gesagt, dass Legende und Mystik ihn seit seiner Geburt begleitet haben, denn am 6. März gedenkt man in der Orthodoxen Kirche eine Ikone der Gottesmutter Maria mit dem Namen „Gnadenvoller Himmel“ – also kein schlechtes Omen zu Beginn seines Leben für einen zukünftigen Piloten, nicht wahr?

Ein politisch Verbannter

Eine andere Legende besagt, dass schon im Alter von drei Jahren beim kleinen Alexander sein berühmter energiegeladener und eigenwilliger Charakter zum Vorschein kam. Seine Mutter war damals einmal zum Fluss gegangen, um dort Wäsche zu waschen. Ihren Sohn hatte sie dabei aus den Augen verloren. Man fand ihn dann erst wieder in der Nacht. Und wo, werden Sie fragen? Auf der Polizeiwache. Von daher erwähnte Alexander Pokryschkin nicht nur ein Mal, dass er „ein politischer Sträfling sei und das mit einer Erfahrung, die bis vor die Revolution zurückreicht“.  Einerseits mag es stimmen, andererseits ist aber auch etwas Spott dabei. …

Was all das andere betrifft, tauchen auch da immer wieder Fragen auf. Die meist gestellte von ihnen ist wahrscheinlich die, ob es wirklich so war, dass sich die deutschen Flieger gegenseitig voller Panik gewarnt haben — mit dem berühmt gewordenen Ausspruch: „Pokryschkin ist in der Luft“?

Alexander Iwanowitsch hat seine Memoiren in ganzen drei Büchern aufgeschrieben. Nirgends erwähnt er diese Worte. Er hat es damit erklärt, dass der selbst diese nie gehört habe und sie deshalb auch nicht erwähnen könne. Im Übrigen hat er aber auch anderen, die diese Worte bezeugen, nicht widersprochen. Dass sich aber viele andere gut daran erinnern können, wie die Deutschen den Äther mit ihrem „Achtung“ buchstäblich verstopften, möge genügen. Auf alle Fälle besteht der Kommandeur der Funkabteilung des 16. Gardejagdfliegerbataillons, in dem Alexander Iwanowitsch seinen Dienst tat, darauf, dass er viele Male über die Funkwellen hören konnte, wie die deutschen Kundschafter ihren Piloten mitteilten: „Achtung! Achtung! Pokryschkin ist in der Luft!“ Ihm schließen sich auch andere an, zum Beispiel die Sturmflieger: „Wir haben nicht nur einmal gehört, wie die feindlichen Beobachtungsposten über Funk offene Warnungen ausgegeben haben und dass die deutschen Fliegerasse, nachdem sie nur den Namen Pokryschkin gehört haben, aus der Hitze am Himmel über dem Kuban reiß aus genommen haben“.

Es gibt aber auch noch eine etwas andere Sicht auf die Dinge, die in den Erinnerungen unsere Kundschafter bezeugt ist. „Ein junger Flieger, dessen Flugzeug gerade aus der Luft geholt worden war, meint, dass sie nicht gewusst hätten, dass Pokryschkin in der Luft war. Wenn sie es nämlich gewusst hätten, wären richtige Asse in die Luft gestiegen, die übrigens aber auch nicht gerade von dem Wunsch besessen waren, diesem einen Russen zu begegnen“.

Die Asse der Luftwaffe dagegen behaupten kategorisch, dass es keinerlei Warnungen über Funk gegeben habe und schon gar keine panischen. Hier ein Ausschnitt aus einem Interview mit Hauptmann Alfred Grislawski, auf dessen Rechnung 133 abgeschossenen feindliche Flugzeuge gehen und der in eben dieser Hitze am Himmel über dem Kuban unterwegs war und kämpfte wie auch Pokryschkin:

— Welche Informationen über den Feind haben Sie bekommen? War Ihnen bekannt, welche Piloten gegen Sie im Anflug sind?

— Wir hatten keinerlei Kenntnis von ihnen. Überhaupt nichts. Nur, wenn wir jemanden abgeschossen hatten und ihn als Gefangenen zu uns auf den Fliegerhorst gebracht haben, dann haben wir ihn ausgefragt. Nur so sind wir an Informationen gekommen. Mehr haben wir von unserem Feind nicht gewusst.

Besser weniger, so ist es besser

Übrigens stellt sich noch eine große Frage: Hat denn Alexander Pokryschkin selbst diese Legende überhaupt gefallen? Es ist bekannt, dass er ein sehr bescheidener Mensch war, der sich nichts aus Ruhm und Ehre gemacht hat. Ganz im Gegensatz zu jenen Assen der Luftwaffe, die so manches Mal nicht einmal Scham empfanden, wenn sich herausstellte, dass sie die Zahl der von ihnen abgeschossenen Flugzeuge nach oben hin verfälschten hatten.

Forscher, die die Notizbücher von Pokryschkin ausgewertet haben, bestätigen, dass man bei genauer Zählung der von ihm abgeschossenen Flugzeuge die Zahl von 59 auf 80, ja sogar auf 94 erhöhen könne. Der Unterschied ist gewaltig. Das russische Ass jedoch war, was seine persönliche Ehre betrifft, gelassen: „Das wichtigste ist, dass unsere Division insgesamt 1174 Flugzeuge abgeschossen hat. Sie alle gehen auf die Rechnung des Krieges!“

Natürlich finden sich immer wieder solche, denen es Spaß macht, die Effizienz unseres Asses mit, sagen wir mal, dem Deutschen Erich Hartmann zu vergleichen: „Was kümmert ihr euch überhaupt um so einen Pokryschkin? Ob er nun 59 abgeschossen hat oder 94, wo liegt da der Unterschied? Hartmann dagegen hat ganze 352 vom Himmel geholt! Überhaupt sind die Deutschen geflogen, wie sie wollten und haben abgeschossen, wen sie wollten, im Gegensatz zu unseren!“

Und genau hierin besteht der Unterschied. Genau dieses „Wie sie wollten“. Unsere dagegen sind nicht überall herumgeflogen und haben um sich gefeuert, wo und wie sie wollten, sondern nur dort, wo es nötig war. Und es geht auch nicht darum, dass sich ein Einzelner auf die „Jagd nach Köpfen macht“, sondern alle – die Infanterie, die Panzer und die Artillerie. … Jener Hartmann hat über seine Taktik folgendes geäußert: „Es ist ein Glück, wenn man auf einen schwachen und unerfahrenen Piloten trifft. Man sollte dann sofort auf ihn zielen und sich dann schnell zurückziehen. Wenn es von solchen keine gab, war es besser, auf den Kampf zu verzichten“. Pokryschkins Devise war genau das Gegenteil, die er übrigens auch anderen immer wieder nahegebracht hat. „Man muss zunächst den Stärksten unter den Feinden herausfinden und diesem einen Schlag zufügen ohne vor dem Risiko zurückzuschrecken. Damit desorientiert man alle anderen“.

Worin besteht nun größerer Edelmut? Wem steht es eher zu, sich als ein wahrer Krieger zu bezeichnen? Dem „Blonden Recken“ Erich Hartmann, der dazu aufruft, die Schwächsten zu schlagen oder dem „Bauerntölpel“ Alexander Pokryschkin, der sich ohne Furcht auf den Stärksten des Feindes wirft? Wer ist ein Krieger, wer ist ein Räuber?

Zum Zeugen kann man noch einmal Alfred Grislawski heranziehen: „Es gab bei uns solche, die meinten, dass es angeblich einfacher sei, am Himmel über Russland zu kämpfen, als über England. Was kann man schon von den Russen erwarten! Solche aber wurden dann schon bereits nach einigen Tagen abgeschossen. Ich würde sagen, dass es, was das Können und den Mut betrifft, keinen Unterschied gab zwischen den russischen Fliegern und denen der Alliierten“.

Den hat es vielleicht wirklich nicht gegeben. Doch wir sollten dabei nicht vergessen, dass der Präsident der USA Roosevelt bereits 1944 Pokryschkin offiziell als „besten Jagdflieger aller alliierten Armeen“ erklärt hat.

Dafür wurde er in seiner Heimat schon gleich, nachdem der Krieg beendet war, bezüglich von Auszeichnungen und Ehren einfach übergangen. Sagen wir mal, den Titel „Verdienter Militärpilot der UdSSR“ hat man ihm nie zugesprochen. Und das alles vor dem Hintergrund der Gespräche um „die geringe Zahl“. Doch Pokryschkin hatte seine eigene Rechnung, eine die gerechter war. In seiner Division hat er ebenso viele Helden der Sowjetunion herangezogen, wie er Flugzeuge abgeschossen hat – 59.

Uebersetzt von Henrik Hansen
www.deu.world-war.ru

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