9 Mai 2015| Iljaschenko Alexander, Erzpriester, projektleiter

Vom wahren Anteil der Kirche am Sieg des Krieges

Протоиерей Александр Ильяшенко

Erzpriester Alexander Ijaschenko

Wenn man sich anschickt, den Anteil der Russischen Orthodoxen Kirche am Sieg im Großen Vaterländischen Krieg zu bewerten, spricht man gewöhnlich von der materiellen Hilfe, die sie geleistet hat. So werden zum Beispiel die Panzerkolonne „Dimitrij Donskoj“, die Fliegerstaffel „Alexander Newskij“ und die 300 Millionen Rubel genannt, die die Gläubigen für die Verteidigung ihrer Heimat bereitgestellt haben. Eine solche Bewertung ist allerdings einseitig und man sollte ihr widersprechen. Die gespendete Panzerkolonne bestand aus 40 Fahrzeugen. Während des Krieges sind aber mehr als 100 Tausend Panzer gefertigt worden. Es werden 300 Millionen Rubel genannt. In jenen Jahren jedoch bezeichneten sich etwa 100 Millionen Menschen als gläubig. Das sind dann während der vier Kriegsjahre drei Rubel von Jedem, was weniger als einen Rubel pro Jahr bedeutet. Lässt sich auf diese Weise wirklich der wahre Anteil der Russischen Orthodoxen Kirche am Sieg des russischen Volkes bemessen? Nein! Ganz im Gegenteil sind diese Zahlen eher ein Beleg dafür, wie stark man die Russische Orthodoxe Kirche in die Knie gezwungen hatte und dass sie fast völlig vernichtet war. Diese Zahlen sind eher ein Ausdruck dafür, wie stark die Menschen von den Bolschewistischen Machthabern beraubt worden sind.

Ich möchte daran erinnern, dass einer der Fünfjahrpläne, die vor dem Krieg beschlossen worden waren, als der „gottloser“ bezeichnet wurde: die Partei der Bolschewiki hatte sich zum ideologischen Ziel gesetzt, auf dem gesamten Gebiet der UdSSR die Orthodoxie mit ihrer Wurzel auszurotten. Die sowjetischen Menschen wurden von Kindesbeinen an mit grober und spöttischer antireligiöser Propaganda überschüttet. Die Gläubigen wurden zu „sozialen Außenseitern“ erklärt und zu Feinden des in der Geschichte der Menschheit „fortschrittlichsten“ sozialistischen Staates deklariert. Fast die gesamte Priesterschaft wurde umgebracht oder in Lager interniert, wo sie schärfsten Verhöhnung von Seiten der Aufseher und des Wachpersonals, aber auch von der Lagerleitung und dieser „sozial nahestehenden“ Verbrechern ausgesetzt waren. Fast alle gingen in diesen Lagern einem langsamen und qualvollen Tod entgegen. Ihre Kirchen hat man entweder zerstört oder in Lagerräume umfunktioniert, die Heiligtümer geschändet und das Kircheneigentum geplündert. Glocken wurden eingeschmolzen und Ikonen verbrannt. …

„Die organisatorische Struktur der Kirche war zerschlagen. 1939 waren allein das Oberhaupt der Kirche Metropolit Sergij, der Metropolit von Leningrad Alexej (Simanskij), der Erzbischof von Peterhof Nikolaj (Jaruschewitsch), der die Diözesen von Nowgorod und Pskow verwaltete, und der Erzbischof von Dimitrow Sergij (Voskresenskij) auf ihren Bischofssitzen verblieben. Einigen anderen Bischöfe gestattete man nur, die Gottesdienste wie gewöhnliche Gemeindepriester zu zelebrieren. So wurde zum Beispiel der Bischof von Astrachan, der im April 1939 in den Ruhestand geschickt worden war, im Oktober des gleichen Jahres als gemeiner Gemeindepriester in die Stadt Kujbischew versetzt. Das gesamte kirchliche Leben der Diözese von Kujbischew war damals auf diese eine Kirche beschränkt. Die Schließung von Kirchen hatte  riesige Ausmaße angenommen. Allein im Jahre 1937 sind mehr als acht Tausend Kirchen geschlossen worden. 1939 gab es in ganz Russland nur noch etwa einhundert Gemeindekirchen oder Kathedralen, in denen noch Gottesdienste abgehalten wurden. In der Ukraine existierten von den Gemeinden, die vor der Revolution dort bestanden hatten, nur noch 3% “.

Um den wahren Anteil der Russisch Orthodoxen Kirche am Sieg des Großen Vaterländischen Krieges bewerten zu können, sollten wir zunächst einmal versuchen die Frage zu beantworten: wer in diesem Krieg überhaupt gesiegt hat?

In der sowjetischen Zeit meinte man, dass es die große Sowjetunion gewesen sei, da sie einerseits das gerechteste Gesellschaftssystem und die fortschrittlichste Staatsideologie aufweisen konnte und andererseits von einer weisen kommunistischen Partei regiert wurde, insbesondere von Genosse Stalin ganz persönlich. Doch selbst Genosse Stalin hat es schon damals anders gesehen. Während eines Empfangs zu Ehren der Kommandierenden der Roten Armee am 24. Mai 1945 im Kreml hat er eine Tischrede gehalten und sein Glas erhoben, um gemeinsam mit allen Anwesenden auf die Gesundheit des russischen Volkes zu trinken. „Denn – so seine Worte – das russische Volk hat in diesem Krieg bewiesen, dass es seine führende Rolle in der Sowjetunion unter allen Völkern unseres Landes verdient hat. Ich erhebe mein Glas auf das russische Volk, nicht nur weil es das führende Volk ist, sondern auch weil es von klarem Verstand ist, einen standhaften Charakter hat und viel erdulden kann. Unsere Regierung hat nicht wenige Fehler gemacht. Es gab Momente in den Jahren 1941-42, in denen alles verloren zu sein schien, als unsere Armee immer weiter zurückgeschlagen wurde und wir unsere teuren Städte und Dörfer aufgeben mussten. Ein anderes Volk hätte zu seiner Regierung gesagt: Ihr habt unsere Erwartungen nicht erfüllt, schert euch fort! Wir ernennen eine neue Regierung, die mit Deutschland Frieden schließt und uns in Ruhe leben lässt. Doch das russische Volk hat sich auf dergleichen nicht eingelassen. Es hat vielmehr daran geglaubt, dass die Politik seiner Regierung richtig ist und war deshalb bereit, endlose Opfer zu bringen, um Deutschland zu zerschlagen. Dieses Vertrauen des russischen Volkes in die Sowjetische Regierung war die entscheidende Kraft, die diesen historischen Sieg über den Feind der Menschheit, über den Faschismus, möglich gemacht hat. Ich danke dem russischen Volk für sein Vertrauen!“

A. A. Swetschin (1878-1938)

Man kann gegen diese Einschätzung des russischen Volkes nichts einwenden, denn gerade das große russische Volk war es, das den ruhmreichen Sieg errungen hat. Was die sowjetische Regierung betrifft, kann man nur bestätigen, dass sie „nicht wenige Fehler“ begangen hat.  Schon in den zwanziger Jahren hat Generalleutnant A. A. Swetschin, der seinen Generalsrang noch in der Armee des Zaren erhalten hatte, auf die ungünstige Lage von Leningrad hingewiesen. Er hat bemerkt, dass „Leningrad bei uns nun eine Stadt an der Grenze ist und dass diese ungünstige strategische Lage von Leningrad noch dadurch verstärkt wird, dass es viele Hunderte Kilometer weit ab von Brennstoff-, Getreide- und Rohstoffvorkommen liegt, weil die Orte, wo man dies alles finden könnte, weit entfernt sind“. Derselbe Swetschin hat davon gesprochen, dass es nötig sei, die Industriegiganten weit entfernt von der Grenze zu errichten, und dass man bei der Auswahl eines geeigneten Ortes für solche Großbetriebe neben einer technischen und ökonomischen Expertise auch eine strategische anfertigen lassen sollte. Solche strategischen Expertisen wurden allerdings nie in Auftrag gegeben. Dafür jedoch fiel General Swetschin selbst in die Hände „kompetenter Organe“ und wurde 1938 erschossen. Dem russischen Volk dagegen wurden solch ungehörte Leiden und Entbehrungen aufgezwungen, dass selbst seine Existenz in der Geschichte auf dem Spiel stand.

Als das faschistische Deutschland die UdSSR angegriffen hat, hat es seinen Krieg als einen Kreuzzug gegen den Kommunismus bezeichnet und darauf gehofft, unter den Gläubigen Rückhalt und Unterstützung zu finden. Doch ihr Kalkül war sehr weit gefehlt und fand keinen Widerhall in der Realität. Auf einer riesigen Volksversammlung am Abend des 2. Juli 1941 auf dem Madison Square Garden hat Metropolit Benjamin, der Exarch des Moskauer Patriarchats der Russischen Kirche, eine Rede gehalten, in der er klar gemacht hat, wie die Russische Orthodoxe Kirche zu diesem neuen Vaterländischen Krieg steht.

Metropolit Banjamin, der Exarch des Moskauer Patriarchats der Russischen Kirche

Metropolit Banjamin hat gesagt: „Das jetzige Aufeinanderstoßen der Sowjetunion mit Deutschland geschah an einem ungewöhnlich bedeutsamen Tag. Es ist der einzige Tag im Jahr, an dem die Russische Orthodoxe Kirche „Aller Heiligen der Russischen Lande von Anbeginn seiner christlichen Geschichte bis heute“ zusammen gedenkt. Dieser besondere Tag fiel in diesem Jahr auf den 22. Juni. In der Nacht vor Anbruch dieses Tages — wenn man es von Amerika aus betrachtet  — bzw. am Morgen dieses Tages europäischer Zeit haben die Deutschen den Krieg gegen uns eröffnet. Dass Russland an diesem besonderen Tag angegriffen wurde, ist ohne Zweifel nicht zufällig! Ich werde dazu nichts anderes sagen, als dass wir glauben, dass dies ein Zeichen der Barmherzigkeit der Heiligen des Russischen Landes unserer aller Heimat gegenüber ist, welches uns große Hoffnung hegen lässt, dass der begonnene Kampf am Ende für uns im Guten enden wird. < … > Über die Stimme der Russischen Kirche hier auf Erden hat man bereits die gesamte Welt über Radio und über die Presse informiert. „Tausende Russen kämpfen für die Verteidigung unseres Landes. — schrieb ihr Oberhaupt, Metropolit Sergij in seinem Sendschreiben an das gesamte russische Land – Die Kirche kann dem nicht tatenlos zusehen. Die Orthodoxe Kirche hat das Schicksal der Menschen immer geteilt, sie hat mit ihnen ihre Last getragen und sich mit ihnen über ihre Erfolge gefreut. Auch jetzt werden wir die Menschen nicht im Stich lassen. Wir Priester und Seelenhirten halten es für unwürdig, jetzt, wenn die Heimat ruft, zu schweigen. … Die Kirche ruft den Allerhöchsten an, dass Er seinen Segen geben möge für eine wahrhaftes Aufbegehren des gesamten Volkes gegen den Feind. … Möge Gott uns zum Sieg verhelfen!“

Schon allein die Heldentaten der russischen Armee haben der gesamten Welt gezeigt, dass die Worte des Oberhauptes der Russischen Kirche völlig wahr sind. Die gesamte Rus hat sich erhoben!!! Und nicht einen Moment hat unsere Kirche gezögert, obwohl ihr von den Feinden Versprechungen gemacht worden sind. Es ist die Nachricht bereits bis in die Presse durchgedrungen, dass dieser Feldzug als „Kreuzzug“ angesehen wird, als ein Kampf gegen die Gottlosigkeit, der denen, die sich ergeben, die Freiheit der Religionsausübung und vielleicht auch die Rückgabe von Kircheneigentum und andere Vergünstigungen verspricht. Natürlich sind dies keine zufälligen Gerüchte. Doch die Russische Kirche hat sich davon nicht beeindrucken lassen. Sie hat sich auch von anderen „Almosen“ nicht verführen lassen. Wir werden sie nicht annehmen! Wir wollen sie nicht, eure heuchlerischen Gaben! Wir verkaufen unser Gewissen und unsere Heimat nicht! Nein, das ist von einer wahren Kirche nicht zu erwarten!“

Diese Rede hat auf die vielen tausenden Anwesenden einen riesigen Eindruck gemacht. Viele Emigranten, unter ihnen solche herausragenden Persönlichkeiten wie Igor Sikorskij, Sergej Rachmaninov und andere, haben bedeutende Summen an Geld gespendet, um der sich wehrenden Heimat zu helfen.

Bald nach diesem verhängnisvollen Tag, an dem das faschistische Deutschland und seine Verbündeten unsere Heimat überfallen haben, konnte man überall im Land das Lied: „Heiliger Krieg“ hören.

„Erhebe dich, du riesiges Land, erhebe dich gegen die faschistische Macht zum Todeskampf, gegen diese finstere und verdammte Horde!  Möge deine edle Wut wie eine Welle aufbrausen! Es ist unser aller Krieg! Es ist ein heiliger Krieg!“

Es ist verblüffend, dass entgegen der jahrelangen Propaganda eines aggressiven Atheismus sofort in den ersten Tagen des Krieges das Wort „heilig“ überall ertönte, ein Wort, das vom Prinzip her der Ideologie widersprach, die man dem Volk aufzwingen wollte. Denn nach dem, was der dialektische Materialismus verkündete, gibt es nur Raum für das Materielle, das Sein bestimmt das Bewusstsein und es gibt deshalb nichts Heiliges, es kann es schon allein vom Prinzip her nicht geben.

Der Heilig gesprochene Großfürst Alexander Newskij hat vor der Schlacht an der Newa, wobei er sich nicht nur an seine Männer gewandt hat, sondern auch an seine fernen Nachfahren, folgendes gesagt: „Gott ist nicht mit denen, die mächtig sind, sondern mit der gerechten Sache.“ Auf diese Weise haben sich auch während des Großen Vaterländischen Krieges die Menschen gegenseitig Mut gemacht: „Unsere Sache ist die gerechte Sache, mit uns ist die Wahrheit. Der Feind wird geschlagen werden und wir werden den Sieg erringen!“ Wenn also „mit uns die Wahrheit“ ist, dann existiert also folglich diese Wahrheit souverän und für sich und nicht nur als etwas „was dem Proletariat von Nutzen ist“. Es wurde also selbst auf der Ebene der Staatsführung anerkannt, dass es etwas Heiliges und Höheres gibt, etwas, was höher ist, als das Leben und sogar höher als der gesamte Staat im Ganzen.

Während der Kämpfe zur Verteidigung Moskaus hatten viele ein Lied auf den Lippen, das in jenen grausamen Tagen, in denen unser Staat in seiner Existenz bedroht war, entstanden ist:

„Wir bangen nicht im Kampf für unsere Hauptstadt. Moskau ist uns lieb und teuer. Wie ein unzerstörbarer Schutzwall werden wir es stählern verteidigen und siegen und den Feind zertreten“.

Eine Festung, die ein Feind nicht einnehmen kann, nennt man eine uneinnehmbare Festung und der Schutzwall, der eine solche Festung umgibt, ist ein nicht zu überwindender Schutzwall. In diesem Lied jedoch ist der Ausdruck „unzerstörbarer Schutzwall“ gebraucht, und dieser wurde  bewusst gewählt. Ohne Zweifel hatte der Autor dieses Liedes noch immer jene Worte aus dem Gebet an die Gottesgebärerin im Ohr: „Rette deine Knechte aus der Not, oh Gottesgebärerin, denn wir alle suchen bei dir nach Gott unsere Zuflucht, denn du bist ein unzerstörbarer Schutzwall und stehst für uns ein“. Es gibt selbst eine Ikone der Gottesmutter, der man den Namen „Die Gottesmutter, der unzerstörbare Schutzwall“ gegeben hat.

An der Front haben sich im Angesicht des drohenden Todes unter den Soldaten, die zu großen Teilen einfache Bauernburschen waren, schnell einige „Pfiffige“ gefunden, die aus Patronenhülsen orthodoxe Kreuze gefertigt haben, um diese am Hals zu tragen. Ich habe einige Veteranen getroffen, die diese Messingkreuze, die sie sich in den Schützengräben selbst gefertigt hatten, ihr ganzes Leben lang getragen haben.

Von der Religiosität, die den russischen Soldaten eigen war, berichten auch deutsche Augenzeugen: Aus Breslau wurde von jemanden in leitender Position folgendes gemeldet: „Die Ostarbeiter sollen sich bei mir registrieren, damit ich für sie Karten ausstellen kann. Dabei geben fast alle immer an, dass sie zur Orthodoxen Kirche gehören. Wenn ich sie darauf hinweise, dass in der Sowjetunion Gottlosigkeit herrscht und Atheismus propagiert wird, erklären sie mir, dass das wohl in Moskau und Charkow, in Stalingrad und Rostow und anderen großen industriellen Zentren so sein möge, doch schon viel weniger in Leningrad. Auf dem Land dagegen sind alle sowjetischen Russen sehr religiös. Fast jeder der befragten Russen bewies seinen christlichen Glauben dadurch, dass er eine kleine Kette mit einem winzigen Kreuz bei sich hatte. Des Weiteren haben sie gemeint, dass man, auch wenn sich wahrscheinlich die jungen Ostarbeiter zum Teil von der atheistischen Bewegung leiten lassen, im sowjetischen Russland unter keinen Umständen von Gottlosigkeit sprechen könne. Das sei alles nur Propaganda“.

Das alles bezeugt, dass eine breite Masse des Volkes geistlich in Bewegung geraten war und sich mit ihrer Seele zu Gott gewandt hatte. Man sollte nicht vergessen, dass in der ersten Ansprache Stalins an das sowjetische Volk nach dem Ausbruch des Krieges jenes in der Kirche übliche: „Brüder und Schwestern“ zu hören war. Auf diese Weise wurden in diesem so gottlosen Staat auf ganz offizieller Ebene Worte gewählt, die vom christlich-orthodoxen Geist durchdrungen waren.

In der Tat sah sich die sowjetische Führung gezwungen, die grausame Verfolgung der Kirche zu beenden. Es wurden staatliche Orden zu Ehren von Alexander Newskij, Suworow, Kutuzow, Uschakow und Nachimow gestiftet, die allesamt tief gläubige Menschen waren und aufopferungsvoll ihrer Kirche und ihrer Heimat gedient haben.

Es ist interessant, dass selbst der talentierte Heerführer der Wehrmacht Generaloberst Guderian bemerkt hat, dass einer der wichtigsten Gründe für den Sieg der Roten Armee die Hinwendung des Sowjetstaates und des Volkes zu ihren historischen nationalen Traditionen gewesen sei.

Das russische Volk hatte ungehörte Verfolgung und Unterdrückung von Seiten der sowjetischen Machthaber, die sich zynisch als Volksmacht feierte, ertragen müssen und dabei gleichzeitig dem ohne jeglichen Zweifel starken und erbarmungslosen Feind, dem faschistischen Deutschland, den Todesstoß zu versetzen. „Aber gibt es auf der Welt überhaupt solche Flammen und Qualen, gibt es eine solche Kraft, die die Stärke der Russen bezwingen kann?“ Worin besteht eigentlich diese Stärke, der keine andere Kraft etwas anhaben kann? Sie ist von mystischer und geheimnisvoller Natur, und deshalb muss man auch die Antwort auf diese Frage in der geistigen Sphäre suchen. Es ist interessant, dass eine die gesamte Tiefe der Problematik erfassende Antwort im Schaffen des talentierten sowjetischen Dichters Konstantin Simonow zu finden ist. Ein Talent ist eine Gabe Gottes, und als solches erlaubt es demjenigen, der mit ihm bedacht worden ist, in das innerste Wesen der Dinge einzudringen. In dem Gedicht „Erinnere dich, Aljoscha, an die Straßen von Smolensk“ schrieb Simonow:

„Es scheint, als ob hinter jedem russischen Gartenzaun unsere Großväter zusammen gekommen sind, um mit ihren Armen, zum Kreuz erhoben, alle Lebenden zu schützen und für ihren Enkel, die schon nicht mehr an Gott glauben, zu beten“.

Kein Klassenkampf und auch kein Hass können die Menschen vereinen. Nur Heiligkeit und ein Gespür dafür vermögen den verhassten Hader dieser Welt zu überwinden. Die Jahre zwischen 1917 und dem Großen Vaterländischen Krieg waren für die Russisch Orthodoxe Kirche und das Russisch Orthodoxe Volk ein Kreuzesweg. Viele Tausende, ja hunderttausende Gläubige haben mit ihrem Leben und durch ihren Tod ihre Treue zu Christus und zu seiner Heiligen Kirche bezeugt und sind mit dem Märtyrerkranz gekrönt worden.

Der Große Vaterländische Krieg begann an einem Sonntag, am 22. Juni 1941. An diesem Tag beging man in diesem Jahr das Fest aller Heiligen der Russischen Lande. Unter ihnen gibt es viele, die offiziell heilig gesprochen wurden und viele, die man (noch) nicht zu Heiligen erklärt hat. Es sind die vielen neuen Märtyrer und Bekenner Russlands, deren Namen man zum Teil kennt und zum Teil nicht kennt, die sich angeführt vom Heiligen Tichon, dem Patriarchen von ganz Russland, und dem Russischen Zaren und Märtyrer Nikolaj hinter ihnen endlos aneinanderreihen. Heute wissen wir, dass damals auch solche Asketen wie die Bischöfe Athanasius (Sacharow) und Luka (Vojno-Jasenezkij), und auch der heute heilig gesprochene Seraphim von Vyriza und viele andere in ihrer Gefangenschaft, in den Kerkern und bei ihrer bitteren Arbeit, für Russland gebetet haben.  …

Dank der Heldentaten der neuen Märtyrer und Bekenner Russlands, die den Ansturm der satanischen Raserei seiner gotteslästerlichen Machthaber auf sich genommen haben und in diesem ungleichen Kampf um den Preis ihrer Leiden und ihres Blutes, ihres Lebens und ihres Todes den moralischen Sieg errungen haben, hat das russische Volk wieder zu sich gefunden und seine geistliche und nationale Einheit wieder neu verspürt. Alles das, was nach der Revolution verleumdet, verspottet und geschändet worden war, hat seinerzeit wieder seinen Sinn und seine Bedeutung gefunden. Deshalb auch hat sich damals zu diesem „heiligen Krieg“ dieses „riesige Land“ geeint erhoben, weil die „Großväter“, die in ihrem Kampf für den Glauben und für die Wahrheit gesiegt hatten, beim Herrn erbeten konnten, dass er „ihren Enkeln“, sowohl denen, die an Gott glauben, als auch jenen, die es nicht tun, Kraft geben möge und Standhaftigkeit, um in diesem Großen Vaterländischen Krieg zu siegen.

Bei seiner Auslegung des Gleichnisses aus dem Evangelium vom Weinberg hat im September 1944 der heute heilig gesprochene Bischof Lukas Vojno-Jasenezkij vom Fels des Glaubens gesprochen: „Auf wen aber wird der Fels einstürzen? Wen wird der alles zerstörende und vernichtende Zorn Gottes treffen? Alle jene, die die Werke des Teufels ins Maßlose getrieben haben und die man deshalb als Diener des Antichristen bezeichnen kann. Und wir sehen, dass dieser furchtbare Fels des alles vernichtenden Zornes Gottes schon bereit ist hinabzustürzen, auf den Diener des Teufels – auf Hitler und auf das Volk, das die Liebe zu Christus verschmäht und den Tod und die Zerstörung zu ihrem Banner erhoben hat, auf das Volk, dass unsere Heiligtümer schändet und unsere wunderbaren Gotteshäuser zerstört und tausende und abertausende unserer Kirchen besudelt. Der Fels ist bereit, auf dieses Volk hinabzustürzen. Er wird es erschlagen und zertreten, wie man den Kopf der Schlange zertritt. Bald werden wir dieses gerechte Gericht Gottes schauen und erleben können“.

Dasselbe Bild aus dem Evangelium gebrauchte auch Nikolaj Vasiljewitsch Gogol: „Es ist bekannt, was für ein Krieg in Russland geführt wird. Man kämpft für den Glauben: es gibt keine Kraft, die stärker ist als der Glauben. Sie ist nicht zu bezwingen und deshalb bedrohlich wie ein nicht von Menschenhand geschaffener Fels inmitten eines stürmischen, ewig veränderlichen Meeres. Er erhebt sich in seinem unzerstörbaren Massiv, das aus einem einzigen ganzen Stein besteht, aus den Tiefen des Meeresgrundes bis hoch in den Himmel. Man kann ihn von überallher sehen und er schaut den vorbeirollenden Wellen direkt ins Angesicht. Wehe dem Schiff, das sie gegen ihn schleudern. Sein mageres Geschirr wird zerbersten und es wird untergehen. All das, was auf ihm ist, wird zu Staub und der jämmerliche Schrei der Ertrinkenden wird die staunende Luft erfüllen“.

Die Parade 1945.

Der Große Vaterländische Krieg war nicht ein Kampf zwischen zwei Ideologien oder zweier Gesellschaftsmodele gegeneinander. Er war vielmehr ein Kampf um die Existenz eines Volkes, für dessen Glauben und für die Wahrheit Christi. Den Anteil der Kirche kann man nicht quantitativ bemessen und er kann auch nicht in einem materiellen Äquivalent ausgedrückt werden. Vielmehr findet er seinen Ausdruck in jener unbegreiflichen Opferbereitschaft und in den vielen beispiellosen Heldentaten, die unser Volk in der Zeit des Großen Vaterländischen Krieges an den Tag gelegt hat. Darin bestand der Anteil der Russisch Orthodoxen Kirche am Sieg über jene gotteslästerliche und in ihrer Grausamkeit ihresgleichen suchende, bestialische Macht des deutschen Faschismus.

 

Uebersetzt von Henrik Hansen
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