Die Eremitage während der Blockade
Von der Blockade berichten hier nun jene, die auf ihren Schultern die schwere Last der Kriegszeit ausgehalten haben. Diejenigen, die das Museum gerettet haben und in Leningrad geblieben sind, und diejenigen, die die Kunstschätze der Sammlung der Staatlichen Eremitage sicher in Swerdlowsk bewahrt haben, wohin bereits im Juli mit zwei ganzen Güterzügen 1 Million 118 Tausend Ausstellungsstücke in Sicherheit gebracht worden sind.
„Am 22. Juni 1941 sind alle Mitarbeiter der Eremitage aufgefordert worden, sich im Museum einzufinden. Die wissenschaftlichen Mitarbeiter, das Wachtpersonal und die technischen Angestellten – sie alle haben beim Einpacken mitgeholfen, wobei sie sich im Verlaufe von vierundzwanzig Stunden zum Essen und für das Schlafen jeweils nur ein wenig mehr als eine Stunde gegönnt haben. Vom zweiten Tag an bekamen sie dann Unterstützung von hunderten von Leuten, die zum Freundeskreis der Eremitage gehören. Diese Leute mussten zum Essen und Schlafen per Anweisung verpflichtet werden. Ihnen war die Eremitage wichtiger als ihre eigenen Kräfte und ihre Gesundheit“.
I.A. Orbeli, Direktor der Eremitage, Mitglied der Akademie der Wissenschaften
„Alle Bürger der Sowjetunion gingen voller Sorge in das Jahr 1941. In der Eremitage, in ihren mächtigen Kellergewölben, wurden sichere Luftschutzräume eingerichtet und für die Auslagerung der Kunstschätze des Museums Kisten vorbereitet. Jede dieser Kisten hatte ihre Nummer und eine Liste mit den Gegenständen, die in ihr eingelagert werden sollten. Es wurde spezielles Verpackungsmaterial besorgt und in den Kisten, die für die Bilder vorgesehen waren, wurden Einfassungen vorbereitet, in denen die Rahmen Halt finden sollten, was das Einpacken um ein Vielfaches erleichterte“.
B.B. Piotrowskij
„Alles, was für eine Auslagerung von Nöten hätte sein können, war schon lange vor dem Krieg vorbereitet worden. Ich erinnere mich noch, wie in meinem Arbeitszimmer fast zwei Jahre lang in der Ecke einige lange, gehobelte Holzstäbe gestanden haben. Ich konnte es selbst nicht glauben, dass der Moment kommen würde, an dem wir auf diese Stäbe Stoffe aus dem koptischen Ägypten aufrollen und diese in den Ural verschicken werden.
M.E. Matje
Wir alle befanden uns in Alarmbereitschaft. Gearbeitet wurde rund um die Uhr … Die Kisten, in die die Ausstellungsstücke verstaut wurden, standen auf dem Boden und die ganze Zeit musste man gebückt arbeiten. Schon bald bekamen viele von uns Probleme mit Nasenbluten. Wenn einen dann irgendwann einmal alle Kräfte verlassen hatten, hat man sich gegen Morgen für eine halbe Stunde aufs Ohr gelegt. Man ist sofort weggewesen, doch dann, nach einer halben oder einer ganzen Stunde, war man wie durch einen inneren Impuls wieder voll da, hat sich kurz gereckt und sich dann wieder an die Arbeit gemacht“.
A. B. Bank
„Orbeli hat einen Schlachtruf ausgestoßen. Die Folge war wie die Selbstmobilisierung des gesamten Leningrader Bildungsbürgertums: Professoren der Akademie, Kunstwissenschaftler, alte und junge Künstler kamen in den ersten Stunden des Krieges hierher, weil ihr Herz es ihnen geboten hatte. Denn es war Eile geboten. Der Feind näherte sich der Stadt. Die Restauratoren gaben ihr Einverständnis, Bilder aus ihren Rahmen zu schneiden. So ging es schneller. Doch was bedeutete das, die Bilder zu zerschneiden?! Die Künstler haben sich darauf nicht eingelassen. Sie haben lieber etwas von ihrer Zeit zum Schlafen abgeschnitten.
L. A. Rontschaeskaja, Malerin
«Wir arbeiten von morgens bis spät in der Nacht. Die Füße glühen. Wir nehmen Bilder von den Wänden … Da ist keine Zeit für besondere Gefühle der Ehrfurcht vor den Meisterwerken, obwohl wir die „Danae“ besonders langsam einwickeln. Wenn wir doch nur so schnell wie möglich alles wegschaffen könnten! Weiter unten packen die Bildhauer etwas in Kisten. Orbeli läuft durch alle Säle. Mit jedem Tag wird die Brigade der Künstler immer kleiner. Die leere Eremitage ist wie ein Haus, aus dem man einen Toten hinausgetragen hat».
E. B. Baikowa, Malerin
„Liebe Genossen!
Die 146 Kinder sind gesund und wohl auf und senden ihren Eltern liebe Grüße. Der Weg hierher war für alle sehr schwierig. Es ist uns nicht nur nicht gelungen, jedem Kind für die Nacht einen Schlafplatz bereitzustellen, einige konnten nicht einmal sitzen. Ganz zu schweigen von dem Personal, das entweder gestanden hat, oder, wenn schon gesessen, dann auf dem Trittbrett oder auf den Stufen des Waggons ausgeruht hat. Wir waren ganze drei Tage und Nächte unterwegs. Ungeachtet der großen Wasservorräte, begann uns schon am zweiten Tag das Wasser auszugehen. Auf den Bahnhöfen unterwegs war es fast unmöglich, abgekochtes Wasser zu bekommen. Wenn wir welches auftreiben konnten, dann waren es für die 2500 Kinder im ganzen Zug nur 80 Liter. Jede Tasse Wasser wurde uns aus den Händen gerissen. Die Kinder gerieten einander in die Haare. Wir mussten deshalb für jedes Kind die Wassermenge beschränken“.
Aus einem Brief von L. W. Antonowa
Anweisung an die Staatliche Eremitage:
„Während des längerfristigen Aufenthaltes zur Begleitung der Kinder bei deren Evakuation vom 4. Juli des Jahres an übernimmt L. W. Antonowa die Leitung des Lehrerkollektivs“.
I. A. Orbeli, Direktor der Eremitage und Mitglied der Akademie der Wissenschaften
„Im Angesicht der zu erwartenden Ereignisse, von denen Sie und alle die noch hier verbliebenen Genossen direkt betroffen sein werden, erscheint all das, worum wir uns hier kümmern, nur von geringer Bedeutung zu sein. … Doch von diesen bedeutungslosen Handgriffen hängt im Großen und Ganzen das Schicksal all jener Besitztümer ab, die uns anvertraut worden sind und ebenso auch der ganze Sinn unserer Auslagerungsaktion“.
Aus einem Brief von W. F. Lewinson-Lessing
„Nachdem der zweite Zug auf die Reise geschickt worden ist, gab es in der Eremitage noch sehr viel zu tun. Die großen Gemälde waren von der Wand zu nehmen und mussten auf Rollen gesetzt werden. Die Marmor- und Bronzestatuen sollten von ihren Sockeln genommen und nach unten gebracht werden. Aus den Sälen wurden sämtliche Kronleuchter, Möbel und Bronze entfernt. Alle diese Gegenstände wurden über speziell dafür ausgelegte Bretter in die Säle des Erdgeschosses gebracht und unter den monumentalen Gewölben des Gebäudes in einer bestimmten, zuvor durchdachten Ordnung eingelagert“.
M. I. Scherbatschewa
„Die Evakuierung hatten wir hinter uns gebracht und es begann das Leben auf den Dächern. Die Zeiten, in denen Luftalarm ausgelöst war, wurden immer länger und in der ersten Zeit der Blockade kamen wir im wahrsten Sinne des Wortes nicht von den Dächern herunter. Während der Bombardierungen aus der Luft und des Beschusses durch die Artillerie hing das Schicksal der Säle der Eremitage in großem Maße von den Dachböden ab. Auf den Dächern taten deshalb Lagerarbeiter und Museumsführer, Archäologen und Dachdecker gemeinsam Dienst“.
P. F. Gubtschewskij
„Am Abend hatte ich in dem kleinen Unterstand auf der Dachseite zum Palastplatz hin gemeinsam mit dem Restaurator für altrussische Malerei Fjodor Antonowitsch Kalikin Dienst. Er selbst sieht aus wie ein Ikonenmaler – ein langer Vollbart, eine hohe, offene Stirn und klare blaue Augen. Nachdem man uns mitgeteilt hatte, dass wir an die Front eingezogen werden würden, hat er während unseres Dienstes vor mir angefangen zu weinen. Dabei ist Fjodor Antonowitsch sonst eher ruhig und zurückhaltend. Was für eine gewaltige Liebe zur Heimat bei diesem Menschen! 27. Oktober 1941“.
Aus dem Tagebuch von W.W. Kalinin
„Es begann der Alltag der Feuerlöschtruppe“.
„In der Eremitage gab es sehr viel zu tun. Zunächst mussten die zurückgebliebenen Kostbarkeiten des Museums an geeigneten Orten versteckt werden und dann alle Säle und Räume für den Kriegsfall hergerichtet werden. Auf die Scheiben der unzähligen Fenster klebten wir über Kreuz Papierstreifen, damit die Scheiben bei der Druckwelle einer Explosion nicht in kleine Splitter zerspringen. Zum Zwecke des Brandschutzes war es notwendig, ganze Berge von Sand in die Säle zu bringen und dort auch Wannen mit Wasser aufzustellen, um so Brandbomben sofort löschen zu können“.
„Die aufwendigste Arbeit war die Vorbereitung der Luftschutzräume in den Kellern, die so umzubauen waren, dass man dort auch leben konnte. Es mussten Betten angefertigt und aufgestellt werden, die Fenster mit Ziegelsteinen verschlossen und dann auch Toiletten eingerichtet werden“.
„Als im September die deutsche Luftwaffe begann, systematisch Luftangriffe zu fliegen, kamen in den Luftschutzräumen der Eremitage und des Winterpalastes etwa zwei Tausend Menschen unter: die in der Stadt verbliebenen Mitarbeiter des Museums mit ihren Familien, Wissenschaftler, Museumsarbeiter und Kulturschaffende und andere. Alle zusammen mit ihren Familien …“
B. B. Piotrowskij
„Der Eingang zum 2. und 3. Luftschutzkeller führte über den Saal mit den Zwanzig Säulen. Nachts konnte man auf diesem Weg wirklich das Gruseln bekommen. Da es für die großen Fenster des Museums keine Vorhänge gab, war es dort untersagt Licht anzuzünden. Aus diesem Grunde standen in dem Saal mit den Zwanzig Säulen jeweils an den Längsenden auf dem Boden Akkumulatoren mit kleinen elektrischen Glühbirnen. Rundherum war sonst überall alles schwarz wie die Nacht. Vor einem leuchtete in der völligen Finsternis einzig und allein ein kleines Licht, das einem den Weg wies. Wenn man aber von diesem Weg abkam, dann stieß man entweder gegen eine der Säulen, gegen eine Vitrine oder gegen einen Türpfosten“.
A. S. Nikolskij (1884-1953), Architekt
„Am 10. Dezember 1941, als Leningrad völlig eingeschlossen und abgeriegelt war, fand in einem der Säle der Eremitage, in dem die Temperatur auf minus 12 Grad gefallen war, eine feierliche Zusammenkunft statt, die dem 500. Geburtstag des großen usbekischen Dichters Navoi gewidmet war. Während die Verse Navois erklangen, erzitterte die Luft von den Explosionen der deutschen Granaten. Doch niemand hat den Saal während der Veranstaltung verlassen.“
Direktor der Eremitage, I. A. Orbeli, Mitglied der Akademie der Wissenschaften
„Im November verschlechterte sich die Versorgungslage zusehends. Die Zivilbevölkerung bekam nunmehr nur noch 125 Gramm Brot am Tage zugeteilt. Diejenigen die bei der Verteidigung der Stadt mitwirkten, erhielten 200 Gramm und manchmal eine Suppe dazu. Manchmal wurde als Dessert eine halbe Tafel Tischlerleim gereicht. Ein Stück Leim, den man aus einem Stör gewonnen hatte und der gewöhnlich zu Restaurationsarbeiten verwendet wurde, galt als ganz besonderer Luxus“.
B. B. Piotrowskij
„Im Winter 1941-42 war der Wunsch nach etwas zu Essen unerträglich. Einmal erschienen mir einige Matrosen an der Uferstraße vor der Eremitage besonders großzügig. Sie warfen mir ein ganzes Bund frischer, duftender Kiefernzweige zu. Den ganzen Weg nach Hause habe ich auf diesen herumgekaut und dann die zarten Teile der Rinde und die Nadeln ganz verzehrt. … Im Frühjahr 1942 war dann das Gras unsere Rettung, wie es vorher schon Tischlerleim und Gürtel aus weichem Leder gewesen sind“.
W. W. Miljutina (1903-1987), Malerin
„Die wissenschaftlichen Mitarbeiter haben die vielen Stunden, die sie auf ihren Dienstposten verbrachten, nicht sinnlos verstreichen lassen. Sie haben sie für Gespräche über wissenschaftliche Themen genutzt. Einige Zeit hatte ich gemeinsam mit dem großartigen Wissenschaftler A. J. Borisow, der viel zu früh gestorben ist, in der Rotunde des Winterpalastes Wache. Ich habe ihm Dinge aus dem Gebiet der Archäologie beigebracht und er mir dafür Interessantes aus der Semitologie erzählt. Die wissenschaftliche Arbeit erleichterte uns das Leben, denn diejenigen, die eine Arbeit oder eine Beschäftigung hatten, ertrugen den Hunger leichter.
B. B. Piotrowskij
„Der gesamte Boden im Hängenden Garten, wie auch fast die gesamte nutzbare Fläche im Großen Hof sind vollständig bepflanzt worden. Die Kartoffelstauden sind gut angewachsen und die Beete gründlich und rechtzeitig von Unkraut befreit worden“.
Aus einem Rechenschaftsbericht für den Juli 1942
„Als sich trockene und sonnige Tage eingestellt hatten, haben wir alle Polstermöbel in den Hof getragen. Die Bezüge auf den Sofas, Sesseln und Stühlen waren unter einer dicken, flockigen Schicht von Schimmel schon gar nicht mehr zu sehen. Es schien, als ob die Möbel nicht mit Samt und Atlas bezogen worden sind, sondern mit dem widerlichen Fell eines Zigeunerschafs. Nachdem die Sonne den Schimmel zunächst ausgetrocknet hatte, ließen wir Bürsten und Besen tanzen. Den ganzen Tag erhob sich der Staub wie eine Rauchsäule nach oben und der scharfe und stechende Geruch von Schwefelgasen verpestete die Luft“.
A. M. Anosowa
Im Keller unter dem Saal des antiken Athens mussten tausende Gegenstände versteckt werden. Jedes Teil gruben wir zur Hälfte in Sand ein. Wir gaben uns Mühe, die Statuetten aus Porzellan, Vasen und Service nicht nur der Größe nach zu ordnen, sondern auch dem Stil nach – woran sich erkennen ließ, dass wir als professionelle Museumsmitarbeiter dies so gewöhnt waren. Wir hatten zwei Wochen damit zu tun. Bevor wir den Raum verließen, sahen wir uns noch einmal um und waren selbst ganz erstaunt. Es war wie eine Ausstellung geworden! Die Arbeit dazu hatten wir am Morgen des 18. September beendet“.
T. M. Sokolowa
„Ich erinnere mich noch an einen Tag im Jahre 1942, als Pjotr Petrowitsch Firsow, der leitende Ingenieur der Eremitage, versucht hat, in unserem Beisein das Schloss einer verrosteten Eisentür aufzubrechen, die in den Keller führte. Nachdem er die Tür geöffnet hatte, fanden wir alles voller Wasser, in dem Porzellan und Kronleuchter, die in das Wasser gefallen waren, herumschwammen, weil die Seile, an denen sie aufgehängt worden sind, durchgefault waren. Viele von ihnen stammten aus dem Pavillonsaal. In der absoluten Finsternis holten wir nun, nur auf den Tastsinn vertrauend, alle die Gegenstände hervor, die in diesem Meer ertrunken und nun voller Schmutz und Sand waren“.
Aus den Erinnerungen von O. E. Michailowa
„Im Offiziersklub war heute der Abschlussball der jungen Kommandeure, die gerade erst den Grundkurs ihrer Frontausbildung beendet hatten. Sofort nach Beendigung des kleinen Festaktes wurden alle an die Front geschickt. Es sind auch die Chefs gekommen – die wissenschaftlichen Mitarbeiter der Eremitage mit ihrem Leiter Joseph Abgarowitsch Orbeli. Nachdem die Chefs die Veranstaltung verlassen hatten, hat der leitende Wehrkommissar gesagt: „Ich hatte ein wenig Furcht. Ich hatte gedacht, er wird hier auftauchen, für zwei Stunden eine wissenschaftliche Theorie erläutern und es wird nicht angenehm sein, ihn dabei unterbrechen zu müssen, da die Jungs ja an die Front müssen. Insgesamt aber ist es ganz gut gelaufen. Obwohl er ein Mitglied der Akademie der Wissenschaften ist, kann er trotzdem ganz verständlich reden“.
Text aus dem Tagebuch von W.W. Kalinin
„Natalja Davidowna Flittner, Doktor der Geschichtswissenschaft, war allen bekannt als eine herausragende Forscherin der Kulturen des Alten Orients. In den Jahren während der Blockade hielt die kleine, vertrocknete alte Dame Vorlesungen in den Lazaretten. Einer ihrer Zuhörer hat einmal gesagt: „Manchmal kommt eure Professorin zu uns, setzt sich auf den Stuhl und sogar auf den Tisch und beginnt, uns von den Grabstätten der alten Pharaonen zu erzählen. Das ist so interessant, dass wir sogar unsere Wunden zu vergessen beginnen“.
O. E. Michailowa
„Im Februar 1942 gehörte ich zu den fünf Künstlern, die beauftragt worden sind, die „Wunden der Eremitage“ zu dokumentieren. Zu der Gruppe gehörten: die Maler W. W. Kutschumow und W. W. Patschulin, der Grafiker A. W. Kaplum und ich als Theatermaler. Wer der fünfte war, habe ich leider vergessen. …“
„ … Uns wurde vorgeschlagen, bereits am nächsten Tag mit der Dokumentierung zu beginnen:
- In welchem Maße das Gebäude durch die Bombardierungen und den Artilleriebeschuss beschädigt worden sind,
- welche Aufräumarbeiten durch die in Leningrad verbliebenen Mitarbeiter des Museums im Gange sind,
- welche Säle nach der Auslagerung der Ausstellungsgegenstände und der Beseitigung der Beschädigungen bereits wieder in Ordnung gebracht worden sind“.
„Die nun ganz leer gewordenen Säle sind riesengroß und majestätisch. Ihre Wände sind voller Reif. Noch niemals habe ich sie so großartig empfunden. Bisher haben immer die ausgestellten Gemälde, die Skulpturen und die angewandte Kunst die gesamte Aufmerksamkeit auf sich gezogen und das wahre Können der bemerkenswerten Architekten und Dekorateure, die diese Paläste einst errichtet haben, fast unbemerkt gelassen. Nun ist von all dem nur ihre wunderbare Kunst übrig geblieben (ja und überall sieht man die Spuren der grausamen, gehirnlosen faschistischen Barbarei)“.
„Die Erhabenheit der leeren, teilweise zerstörten Eremitage, erschien mir ganz unwirklich zu sein. Marmor und Vergoldungen unter einer Schicht von Reif. Die Jordanische Treppe — man mag gar nicht die Stufen betreten — ist völlig bedeckt von einem dünnen Film feiner Teilchen. Die Stuckdecke löst sich ab und bröckelt herunter“.
W. Miljutina
„Schon seit einem Monat und einem Tag wird die Stadt unaufhörlich bombardiert. Schon einen Monat und einen Tag hören meine Frau und ich in der Dunkelheit des Dachbodens das seelenzermürbende Geheule der deutschen Motoren und das Pfeifen der Bomben. Und jedes Mal geraten auch wir von der Explosion einer Bombe, die dieses Mal nicht uns getroffen hat, gemeinsam mit unserem Haus in ein leichtes Schwanken. Da ist uns unsere wunderbare Eremitage eingefallen, ihr bemerkenswerter Direktor und seine hervorragenden Mitarbeiter. Und wir haben uns dorthin, in den dritten Luftschutzkeller, aufgemacht und sind dann unter den durch nichts zu erschütternden Gewölben wie die Murmeltiere eingeschlafen“.
„Der 3. Luftschutzkeller ist für die Mitarbeiter der Eremitage vorgesehen. Es ist der Keller unter den Italienischen Sälen, mit kleinen „Fensterschlitzen“. Ganz hinten links in der Ecke stehen unsere Betten. In der linken vorderen Ecke haben sich die Werejskijs eingerichtet …“
„Es ist der 31. Dezember 1941. Im Luftschutzkeller gibt es bereits seit anderthalb Wochen kein Licht. Wir sitzen in der Dunkelheit beim Schein einer kleinen provisorischen Öllampe. Doch wir fühlen uns recht gut und haben vor, den Jahreswechsel ins Jahr 1942 ein wenig zu feiern. Ich habe aus Buntpapier eine kleine Tanne gebastelt. Ich werde nun noch Tannenbaumschmuck aus goldenem Papier dazu anfertigen. Es wäre schön, wenn sie so groß sein könnte, dass sie bis an die Decke reicht …“
Aus dem Tagebuch von A. S. Nikolskij
„Dreißig Granaten, die von weitreichenden Granatwerfern abgeschossen wurden und zwei Bomben, abgeworfen von Flugzeugen, haben das Gebäude des Museums getroffen und gewaltigen Schaden angerichtet. Mehrere Dutzend Granaten und Bomben sind in unmittelbarer Nähe des Gebäudes explodiert und haben die Fassade und das Dach mit Splittern übersät. Durch die Fensteröffnungen hat so auch die Verkleidung der Wände und Decken in den Ausstellungsräumen Schaden genommen. Mehr als 20 Tausend Quadratmeter Glas sind aus den Fenstern und den Glaslaternen herausgeschlagen worden; das Heizsystem und die Wasserversorgung wurden völlig zerstört“.
A. W. Siwkow (1890-1968), seit 1925 leitender Architekt der Eremitage
Eine Granate ist in das Portal der Neuen Eremitage eingeschlagen. Am 29. Dezember 1941.
„Am 18. März dieses Jahres sind während eines Artilleriebeschusses sechs Granaten in das Gebäude der Eremitage und vier weitere in unmittelbarer Nähe eingeschlagen. Fünf Geschosse haben die Dächer getroffen, diese durchschlagen und sind dann auf dem Dachboden explodiert. Dadurch sind 400 qm der Dachabdeckung zu Schaden gekommen, der Dachstuhl beschädigt worden und der Belag auf den Dachböden kaputtgemacht worden …“.
Durch die Granaten, die in das Gebäude des Winterpalastes und in der Nähe eingeschlagen sind, wurden 3000 Scheiben zerstört. Das Mauerwerk, sowie der Putz der Fassaden und der inneren Räume des Winterpalastes sind im großen Maße beschädigt worden“.
18. März 1942, aus einem Report der Direktion
„Bei allen Kutschen und anderen Gegenständen, die im Fond lagern, sind die Scheiben herausgebrochen und zum Teil das Schnitzwerk kaputt gemacht worden. Die Lackmalerei ist beschädigt worden und die Bezüge und der Besatz haben Schaden genommen. 7 Kutschen sind völlig zerstört“.
18. Juni 1942, aus den Unterlagen zur Dokumentation der Beschädigungen
„Nach jedem Bombenangriff und jedem Beschuss durch die Artillerie war es notwendig, das gesamte Gebäude zu inspizieren. Auch wenn rund herum alles tobt und kracht, gerät all das in unseren riesigen Räumen leicht in Vergessenheit und man achtet nicht mehr ausreichend darauf, wie ernsthaft die Lage rundherum aussieht. Einmal, als ich gerade auf einem Rundgang durch das Gebäude der Neuen Eremitage war und den Saal mit den Zwanzig Säulen, wo sich vor dem Krieg die Münzsammlung befunden hatte, betrat, habe ich, als ich mich dort umschaute, über der Galerie, wo wir die Münze und Medaillen eingepackt hatten, ein großes Loch in der Decke klaffen sehen. Eine Geschoss war direkt fort eingeschlagen!“
Juni 1942, P. F. Gubtschewskij
„Dies ist eine Woche nach dem Durchbruch der Blockade geschehen. Am 25. Januar ist eine Sprengladung von einer Tonne Gewicht direkt auf dem Palastplatz explodiert. Der Winterpalast, dieses kolossale Gebäude, ist wie ein wackliger Einbaum auf stürmischer See ins Schwanken geraten. Die Druckwelle hat sich durch den Hängenden Garten hindurch bis in den Pavillonsaal hinein ausgebreitet und hat hier die bisher heil gebliebenen Scheiben der Fenster, die zur Newa führen, herausgeschlagen …“.
25. Januar 1943, P. F. Gubtschewskij
„ … In der Nacht wütete ein heftiger Schneesturm. Gegen Morgen begann es zu tauen und am Abend zog der Frost wieder an. Nasser Schnee und zerbrochene Scheiben sind fest miteinander verfroren und haben eine dichte, eisige Kruste gebildet. Ich hatte in meiner Hand eine Eisenstange, mit der ich Zentimeter für Zentimeter das Eis und das Glas zerschlagen habe“.
25. Januar 1943, P. F. Gubtschewskij
„In den Fenstern des Winterpalastes, die zum Palastplatz und zur Admiralität führen, sind fast alle Scheiben herausgebrochen. Die im Sommer notdürftig und provisorisch mit Speerholzplatten abgedeckten Fensterflächen sind zerborsten. Die Fenster der Fassaden, die nach innen auf den großen Hof führen, weisen den gleichen Grad an Beschädigungen auf. In den anderen Gebäuden der Eremitage sind an 97 Stellen die Fenster herausgeschlagen oder die provisorische Speerholzabdeckung zerbrochen.
Aus einem Bericht über die Beschädigungen an den Gebäuden des Museums
Ein Geschoss ist in den Großen Hof des Winterpalastes eingeschlagen.
„Bis zu 750 qm Glasscheiben sind herausgeschlagen worden – und das auch im Wappensaal, im Feldmarschallsaal, im Petersaal und in den Räumen der Eremitage, die reich verzierte und künstlerisch wertvolle historische Wandverkleidungen aufweisen. Die Staatliche Eremitage bittet um die Bereitstellung von 5,5 Kubikmeter Speerholz“.
16. Dezember 1943
Das letzte, das dreißigste Geschoss, ist im Wappensaal explodiert.
2. Januar 1944
Aus einem Report über das Ausmaß der Schäden an den Gebäuden des Museums
In der Rastrelli-Galerie, die sich weiter unten befindet, klafft ein gewaltiges Loch. Im benachbarten Petersaal hat die Druckwelle dieser Explosion den Bronzeleuchter zerrissen.
2. Januar 1944
„Im Sommer 1944, als sich der größte Teil der Sammlung der Eremitage noch im Hinterland befand, wurde entschieden, in der Eremitage eine Ausstellung der Exponate zu organisieren, die nicht ausgelagert worden waren. Für die Ausstellung wurden zwei Galerien gewählt, die sich neben dem Hängenden Garten bzw. im Pavillonsaal befanden. Diese Räume hatten durch den Beschuss am wenigsten Schaden genommen und konnten deshalb in einer vergleichbar kurzen Zeit wieder hergerichtet werden. Ungeachtet der Tatsache, dass die wertvollsten Stücke der Sammlung noch nicht wieder zurückgekehrt sind, gab die Ausstellung doch einen Eindruck von dem Charakter der Hauptabteilungen der Eremitage“.
A. N. Izergina (1906-1969), Experte auf dem Gebiet der westeuropäischen Malerei
„Es standen wichtige Arbeiten in den Sälen an, die für die Eröffnung vorgesehen waren: das Heizungssystem musste wieder instand gesetzt und eine große Anzahl von Glasscheiben wieder in die Fenster eingesetzt werden, die Fußböden mussten wieder hergerichtet und 24 stark beschädigten Kronleuchter aus dem Pavillonsaal in Ordnung gebracht werden. Man musste sie wieder aufhängen und am Ende sollte dann auch noch der Boden gewischt werden. All dies war von dem Kollektiv der Eremitage zu leisten, zu dem im Moment der Ausstellung nur 130 Personen gehörten“.
A. W. Siwkow
„Die Ausstellung war von sehr großer Bedeutung: Sie war der erste Schritt hin zur Rückkehr zu einem normalen Museumsalltag, ein Übergang zur Arbeit in Friedenszeiten und eine Antwort auf den Durst nach kulturellen Gütern, der bei der Bevölkerung nie versiegt ist.
Die Einwohner von Leningrad haben die Möglichkeit, erneut durch die sauberen und warmen Säle der Eremitage zu schreiten, nach den erlittenen Torturen als eine verdiente Belohnung empfunden und es als einen wahren Beweis ihres glänzenden Sieges über den Feind verstanden“.
A. N. Izergina
Am 11. Oktober 1945 wurde damit begonnen, zwei Güterzüge zu entladen, die aus Swerdlowsk eingetroffen waren. „Die Kontrolle, ob alle Kisten vorhanden sind, zeigte, dass ihre Anzahl, ihre Beschriftung und die Nummern vollends mit den Listen übereinstimmten, auf denen jene Kisten verzeichnet worden waren, die 1941 durch den ersten und den zweiten Güterzug aus der Eremitage herausgebracht worden sind. Am 14. Oktober wurde damit begonnen die Gemälde Rembrandts wieder aufzuhängen“.
„Zum 4. November 1945 wurden 69 Säle mit einer Fläche von 10083 Quadratmetern wieder eröffnet. Der Eingang ins Museum wurde vorrübergehend in den Chalturinskij-Aufgang verlegt.
Am 25. November konnten die Besucher das Museum bereits durch das Jordantor betreten“.
Uebersetzt von Henrik Hansen
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