21 Januar 2014| Granin Daniil Alexandrowitsch

Das Glück im Frieden zu leben

Jura Rjabinkin, 1937.

Die Realität sieht manchmal so aus, dass man sich kneifen will, um zu prüfen: bin ich das wirklich, schlafe ich nicht, geschieht in der Tat all dies mit mir? Aber ja, du bist es und du kannst nirgendwohin entkommen und dich wegstehlen von der Realität. Dein und nicht das Leben irgendeines anderen geht zu Ende, ist fast zu Ende mit gerade einmal sechzehn Jahren!

Jura kämpft mit sich. Er will sich verstecken vor solchen Gedanken und dem, was so schrecklich offensichtlich ist. Doch dann tritt er ihr wieder mutig entgegen, der Wahrheit, der ganzen Wahrheit – voller Bitternis, Anklage und Verzweiflung. Aber auch mit Dankbarkeit für das Wenige, was ihm vergönnt war zu erfahren, für alles, was für ihn gestern noch ganz selbstverständlich war. Jura sagt Dank dem Leben, das sich nun so unbarmherzig von ihm abwendet.

Es von Anfang bis zum Ende zu durchschreiten – ein solch kurzes Leben – ist überhaupt nicht schwer. Es ist so, als wenn man einmal ganz durch seine Wohnung läuft. Und Jura, nachdem er seine Tagebuchaufzeichnung, seinen Leidensweg durch die Tage der Blockade beendet hat, spürt das Bedürfnis, noch einmal — vielleicht das letzte Mal — die furchtbar kalte Wohnung in der eingeschlossenen Stadt zu durchschreiten. In jeder ihrer Ecke glimmen noch immer die Erinnerungen einer ganz anderen Zeit, als das Leben noch endlos erschien.

Dies ist das letzte Neujahrsfest von Jura Rjabinkin.

„Stille erdrückende Trauer. Es ist schwer und es tut weh. Trostlosigkeit und unendlicher, auswegloser Kummer. Vielleicht noch mehr. Immer wieder tauchen in der Erinnerung all die Tage auf, das Gestern, das ich hier verbracht habe, wenn ich aus der Küche hinaustrete in unsere Wohnung hinein. In der Küche ist bis jetzt eine kleine Illusion von unserem Leben vor dem Krieg erhalten geblieben. Die politische Karte von Europa hängt noch immer an der Wand, da steht noch Geschirr und auf dem Tisch liegt ein aufgeschlagenes Buch, als ob es jemand lesen will. Da die Wanduhr und noch Wärme von der Herdplatte, wenn man sie anheizt hat. … Doch ich möchte noch einmal durch die gesamte Wohnung gehen. Ich ziehe meine Wattejacke an und setze eine Mütze auf, schnalle den Gürtel fest und streife die Handschuhe über. So öffne ich die Tür zum Flur. Hier ist es frostig kalt. Aus dem Mund steigen dichte Fahnen von Dampf auf, die Kälte kriecht unter den Kragen. Unwillkürlich fröstelt man. Der Flur ist leer. Übereinander gestapelt die vier Stühle, die Anfissa Nikolaewna hier abgestellt hat. An die Wand gelehnt die Bretter vom Schrank, der zum Verheizen vorgesehen ist. Wir hatten 3 Zimmer. Jetzt können wir uns nur als Eigentümer von zweien bezeichnen. Das hintere Zimmer neben der Küche haben die I´s. Von ihnen kann man nichts sagen. Voller Freude lodert bei ihnen der Kanonenofen, unter die Tür hindurch dringt leckerer Duft nach Glück. Ihre Gesichter strahlen Sattheit aus. Und daneben ein leeres Zimmer, mit braunen Tapeten, die Fenster zerschlagen. Durch sie dringt ein kalter Wind von draußen. Ein nackter Tisch aus Eichenholz an der Wand und ein leeres Bücherregal in der Ecke. Staub und Spinnengewebe an den Wänden.

Was das mal war? Das ehemalige Esszimmer. Dort ging es immer lustig zu. Dort habe ich über meinen Hausaufgaben gesessen und alle haben es sich dort gemütlich gemacht. Hier gab es einmal – mir scheint es eine Ewigkeit her zu sein — ein Sofa, ein Küchenschrank und Stühle. Auf dem Tisch stand oft noch eine Portion vom Mittag, die jemand nicht aufgegessen hatte. Das Regal war voller Bücher und ich selbst habe mich oft auf dem Sofa lang ausgestreckt und die „Drei Musketiere“ gelesen und dabei immer mal von meinem Brötchen mit Butter und Käse abgebissen oder an einer Schokolade genagt. Im Zimmer war es immer warm und ich war immer zufrieden mit allem: mit mir selbst, mit meinem Essen und … . Das letzte hat es bei mir natürlich nicht gegeben, doch dafür hatte ich meine Spiele, meine Bücher und Zeitschriften, Schach und das Kino. Und ich machte mir immer solche Sorgen, dass ich nicht ins Theater oder sonst wohin gehe, dass ich so oft das Mittagessen ausgelassen und so bis zum Abend nichts gegessen habe, weil ich Volleyball und meine Freunde wichtiger fand. … Und dann, was für Erinnerungen habe ich noch an den Leningrader Pionierpalast, an die Abende dort, an den Lesesaal, die Spiele und den Klub der jungen Historiker oder den Schachklub, die süßen Nachspeisen im Essensaal, die Konzerte und Bälle. Das war richtiges Glück, welches ich gar nicht dafür hielt. Ein Glück in der UdSSR zu leben, in der Zeit des Friedens, das Glück eine Mutter zu haben, die für einen sorgt, wie auch eine Tante und das Wissen, dass dir niemand deine Zukunft nehmen wird. Das war Glück. Und das nächste Zimmer – eine dunkle, trostlose, halbfinstere Zelle, vollgestellt mit allerlei Zeugs, was wir noch unser Eigen nennen können. Da steht eine Kommode und auseinandergebaute Betten, zwei Schreibtische übereinander und ein Sofa, alles voller Staub, alles zugedeckt und eingepackt. So kann alles noch weitere tausend Jahre liegenbleiben. …

Aber die frostige Kälte jagt einen aus diesem Zimmer. Dabei gab es hier einst einen Herd, auf dem Omeletts gebraten wurden und Würstchen und Suppe vor sich hin köchelte. Am Tisch saß meine Mutter und arbeitete ganze Nächte durch beim Schein einer kleinen Lampe.

Hier drehte sich manchmal ein Grammophon und erschallte lautes Gelächter. Hier wurde der riesige bis an die Decke reichende Tannenbaum aufgestellt und Kerzen angezündet. Hier haben mich Tina und Mischa besucht und auf dem Tisch standen Teller voller belegter Brote. (Was war da nicht alles drauf!) Am Tannenbaum hingen viele Sorten von Schokolade und Lebkuchen (niemand hat sie damals essen wollen). Was hat es nicht alles gegeben! Nun ist es hier öd (so scheint es jedenfalls) und kalt und finster und es gibt keinen Grund mehr in dieses Zimmer zu schauen.

Hier die Küche, die eine Küche für alle – der Raum, in dem unser gesamtes Familienleben stattfindet. Hier essen wir (wenn es etwas zu Kauen gibt), hier wärmen wir uns auf (wenn wir etwas haben, womit wir die Herdplatte heizen können), hier schlafen wir (wenn uns die Läuse ein wenig in Ruhe lassen), hier ist unsere Zufluchtsstätte.

Die Wohnung ist leer geworden. Das Leben in ihr ist völlig zum Erliegen gekommen. Sie ist quasi erfroren und hat sich in einen Eiszapfen verwandelt. Auftauen wird sie erst wieder im Frühling …“

Nachdem Jura dies niedergeschrieben hat, in sein Heft mit dem dunklen Einband – das Tagebuch von Jura Rjabinkin – sind die letzten drei Seiten immer noch leer.

3. Januar. Es ist fast der letzte Eintrag im Tagebuch. Ich fürchte, dass er es auch wirklich sein wird und dass ich das Tagebuch nicht zu Ende schreiben werde, um nicht auf der letzten Seite das Wort „Ende“ schreiben zu müssen. Irgendwer wird sicher später dazuschreiben „Gestorben“. Dabei möchte ich so gerne noch leben, glauben und fühlen! Doch evakuieren kann man uns erst im Frühjahr, wenn die Züge über die Trasse im Norden wieder fahren können. Aber im Frühjahr werde ich nicht mehr am Leben sein. Ich bin ganz aufgedunsen. Jede einzelne Zelle meines Körpers ist voller Wasser, mehr als nötig. So sind in der Folge auch alle inneren Organe aufgegangen. Ich habe keine Lust, mich umzudrehen, oder vom Stuhl aufzustehen, um ein wenig zu umhergehen. Das alles ist wegen des vielen Wassers und des fehlenden Essens. Alles ist immer nur flüssig, flüssig und flüssig. Deshalb bin ich so aufgedunsen. Mama und Ira haben mit mir gebrochen. Sie lassen mich zurück. Bei meiner Mutter liegen jetzt alle Nerven blank, dass sie sogar bereit ist, alles zu vergessen und was dann? … Wie es schon einmal war, als sie mir jeden Tag immer wieder sagte, dass sie sich mit Ira irgendwann einmal von hier fortmachen und dass ich es aber nicht mehr schaffen werde. Was werde ich auch arbeiten können? Was für ein Schüler kann ich noch sein? Nun, ich werde eine Woche arbeiten, vielleicht etwas lernen, doch dann werde ich sowieso sterben müssen. Wird es etwa wirklich so kommen? Der Tod, ja der Tod schaut mir in die Augen, und ich kann ihm nicht entkommen. Soll ich ins Krankenhaus gehen? Aber ich bin voller Läuse! Was soll ich tun, oh Gott? Ich werde sterben, elendig sterben, dabei möchte ich so gerne leben, von hier fort gehen und leben! Leben!

Vielleicht schafft es Ira ja, am Leben zu bleiben. Ach, wie ist mir schwer ums Herz. … Meine Mutter ist so grob zu mir geworden, manchmal schlägt sie mich und ständig fährt sie mich an. Doch ich bin ihr deshalb nicht böse. Ich weiß, ich bin ein Parasit, der an ihrem und Iras Hals hängt. Ja, der Tod, der Tod ist es, was auf mich wartet. Es gibt keine Hoffnung mehr für mich, nur noch Angst, dass ich mit mir auch meine liebe Mutter und meine liebe Schwester in den Tod reißen werde.

4. Januar. Vor uns liegt immer noch ein ganzer Monat bis es vielleicht ein wenig besser wird mit der Versorgung und wir vielleicht rauskommen aus der Stadt. Doch was wird mit uns am Ende dieses Monats sein? In was für elende Wesen werden wir weiter verkommen sein, wenn wir nicht durch irgendeinen glücklichen Umstand, durch eine Geschenk Fortunas oder durch die Barmherzigkeit Gottes, ja durch eine Rettung von oben, morgen oder übermorgen, ja vielleicht auch erst in der zweiten Dekade des Monats die Stadt verlassen werden können. Nur irgendein Gott, ja nur Gott, wenn es ihn denn gibt, kann uns aus all dem befreien. Möge er uns doch retten, jetzt! Und ich verspreche, dass ich niemals mehr meine Mutter belügen werde, dass ich meinen Namen nie mehr — nie mehr! — mit etwas besudeln werde, dass ich ihn von nun an für immer heilig und rein halten werde. Nur möge es uns doch jetzt geschenkt werden, dass wir evakuiert werden! Jetzt! Und ich schwöre bei meinem Leben, dass ich für immer aufhören werde mit meinem schändlichen, betrügerischen Leben, dass ich es auf ehrliche und arbeitssame Weise noch einmal neu beginnen werde, in irgendeinem Dorf, wo ich meiner Mutter ein glückliches, goldenes Lebensende bereite. Nur der Glaube an Gott, der Glaube daran, dass mich, ja uns drei, das Glück morgen nicht verlässt, der Glaube an eine Antwort von Paschin aus der Kreisparteileitung, dass wir endlich fahren können – nur das bringt mich wieder auf die Beine. Wenn es diese Hoffnung nicht gäbe, würde ich schon längst zu Grunde gegangen sein. Aber ich will am Leben bleiben, ja, ich möchte es so gern, aber ich werde es nicht können. …. Nur wenn wir morgen die Stadt verlassen können … Ich werde mich Ira und Mama gegenüber immer gut benehmen. Herr, bitte, rette mich, lass mich doch evakuiert werden, rette uns alle drei, meine Mama und Ira und mich! ….

6. Januar. Ich kann schon gar nicht mehr laufen und erst recht nicht arbeiten. Ich bin völlig ohne Kraft. Meine Mutter kann sich auch kaum noch auf den Beinen halten. Ich kann mir es schon nicht mehr vorstellen, wie es ist, wenn sie geht. Jetzt schlägt sie mich oft und schimpft mit mir und schreit mich an. Mit ihr gehen die Nerven durch, sie kann meinen erbärmlichen Anblick nicht ertragen, völlig kraftlos und schwach, hungrig und gequält. Ihr Sohn, der sich nur mühsam fortbewegen kann, der alle nur stört und „der nur so tut“, als wäre er krank und kraftlos. Dabei simuliere ich überhaupt nicht. Nein! Ich bin kein Schauspieler. Ich habe wirklich keine Kräfte mehr. Sie verlassen mich, sie entrinnen mir. Und die Zeit vergeht nicht, sie scheint still zu stehen. Es dauert noch so lange, so unendlich lange! … Oh Herr, was geschieht mit mir? Und jetzt ich, ich, ich ….“

Es fällt uns leichter, statt über das Leiden selbst, über dessen Überwindung zu lesen. Darin sehen wir einen Sinn – im Kampf, der gewonnen ist, oder auch im Tod, wenn er durch eine Kampf gerechtfertigt und nicht sinnlos war. Doch das Leben offenbart uns nicht immer eine solche Rechtfertigung. Jura war sie nicht gegeben. Wir können ihm nicht helfen, wir können nur mit ihm fühlen. Und weil wir ihm mit Nichts helfen können und er selbst keinen Ausweg finden konnte, gibt es nichts wofür wir ihn kritisieren könnten – das macht unser Mitgefühl noch stärker.

Wir verfolgen sein Ringen mit seinen eigenen Schwächen und schauen auf seine Siege. Dabei geht es ihm einfach nur schlecht, ja sehr schlecht. Er hat es so nötig, dass jemand mit ihm fühlt und einfach nur Mitleid mit ihm hat. Seine Mutter hat völlig die Nerven verloren und ist am Rande des Hungerwahnsinns. Ira – ein abgemagertes, gequältes Mädchen. Und seine Nachbarn? Die hatten für ihn nichts übrig … . Wer braucht ihn denn auf dieser ganzen Welt? Wer hat ein Interesse an ihm? Jura konnte es schon selbst kaum mehr glauben, dass sich noch irgendwer für ihn interessieren könnte – für ihn, der ständig schläfrig ist und aufgedunsen, der voll ist mit Wasser und Läuse, für ihn mit seiner „kriminellen“ Vergangenheit (die von ihm heimlich vom Tisch gestohlenen Brotstücke und der Löffel Brei aus dem Topf von Anfissa Nikolaewna werden in seinem Bewusstsein zu ungeheuerlichen Taten, für die es kein Vergeben gibt). Und dieser Junge, verspricht nun völlig aufrichtig und anrührend allen, ja der ganzen Welt (und sogar Gott, „wenn es ihn denn gibt“), dass er immer ehrlich sein wird, gut und voller Sorge für die anderen. Seiner Mutter verspricht er einen glücklichen, ruhigen Lebensabend. Ihn treibt nicht die List eines Wesens, das zugrunde geht. Er quält sich aufrichtig mit seinem Gewissen, dass seine Schwachheit und Kraftlosigkeit (wir wissen heute, dass er daran wirklich keine Schuld trägt und dass Männer früher als die Frauen in einen solchen Zustand abrutschen) nun auch noch seine Mutter und seine Schwester in den Tod reißen wird. Und er ist bereit, mit dem eigenen Leben dafür zu bezahlen, damit wenigstens die beiden gerettet werden mögen. Aber trifft ihn eine Schuld, dass auch er so gerne noch leben möchte, einfach nur leben?

Jura hat wie auch alle seine Altersgenossen niemals daran gedacht, dass man das Recht auf besondere Träume oder auf die Hoffnung auf eine glückliche, wohlgefüllte Zukunft, ja erstrecht nicht das Recht auf Leben auf irgendeine Weise verdienen oder etwas dafür leisten müsse. Was kann es natürlicheres geben als dieses Recht auf Leben? Träume – vielleicht, Hoffnung — sicher manchmal auch, aber einfach nur das Recht auf Leben, einfach nur der Wunsch zu leben — kann man dies auf irgendeine Weise verdienen oder etwas dafür tun müssen?! Aber gerade diese Frage stellte sich ihm nun, ein solcher Moment war eingetreten, denn überall war der Tod, der Tod, wohin man auch nur schaute. Alles war dem Jungen genommen: Wärme, Nahrung, ja, sogar die Liebe der Mutter, die (wie es Jura schien) sich eher mit dem schrecklichen Gedanken anfreunden konnte, dass man wenigstens, wenn überhaupt, Ira retten könnte, und all ihr Mitgefühl für ihren von Wasser ganz aufgedunsenen, kraftlosen Sohn zu ersticken versucht, für ihren Sohn, der schon nicht einmal mehr aus dem Haus gehen kann, geschweige denn die Stadt verlassen, wenn sie denn überhaupt die Genehmigung zur Evakuation erhalten werden. (Ich wiederhole, so erscheint es Jura, so hat er es in seinem Tagebuch festgehalten. Was und wie die Mutter in Wirklichkeit gefühlt hat, wie will man das jemals erfahren?)

Worauf und auf wen sollte sich der völlig Entkräftete auch stützen? Wie dem Tod entrinnen und sich von dort fortreißen? Wo sollte er leben, wo irgendeine Zukunft finden? … Nicht irgendeine Zukunft, sondern eine durch nicht erdenkliche Leiden und grausem Qualen genau erdachte! Diese Zukunft, sein Leben – wenn es ihm denn geschenkt wird – sieht Jura als einen Dienst an anderen — auf ehrliche, bescheidene und gutherzige Weise. Er ist auch jetzt schon bereit, sich selbst zum Opfer zu bringen, um nur kein Hindernis zu sein für seine Mutter und Ira, damit wenigstens diese beiden gerettet werden mögen! Dabei möchte doch auch er so gerne leben! Einfach leben!

Jenen, die an seiner Seite waren (wie auch Jura selbst) schien es, dass er sich hatte gehen lassen und sich schon aufgegeben hat. Dabei war er wie niemals zuvor zu einer Höhe herangereift und hat sich selbst in seiner höchsten Form gefunden.

Wie steht es nun mir seinem Hilfeschrei zu Gott, seinem Gespür, das wenig mit dem der Kirche gemein hat? Woher konnte Jura dieses Gefühl nehmen? Wahrscheinlich ist es eher ein Hilfeschrei an das Schicksal, eine Bitte an die Vorhersehung, eine Hoffnung auf einen Zufall und auf einen sehr realen Paschin aus der Kreisleitung. Natürlich gibt es auch dort die üblichen Schwierigkeiten. Lasst es uns zugeben, dass es auch für uns in den Tagen des Krieges solche furchtbaren und verzweifelten Minuten gab, in denen wir — ob wir es nun wollten oder nicht – nur auf ein Wunder hoffen konnte – so wie ein Kind, das „Mama“ ruft. So haben auch wir Soldaten, die wir, man muss zugeben, noch nicht einmal in besondere Feuergefechte geraten waren, das Schicksal angerufen und auf die gute Vorsehung gehofft. Ja, das hat es gegeben, niemand kann sich davon ausnehmen.

Und nun endlich stand der Moment der Evakuierung ins Haus. Das wenige, was man für die Reise braucht und tragen kann, hatten sie auf einen Schlitten gebunden. Jura erhob sich von seinem Bett und griff nach seinem Stock (hatte er das Tagebuch bei sich?), versuchte aufzustehen, aber er konnte es nicht. Er schaffte es nicht und fiel zurück auf sein Bett …

Uebersetzt von Henrik Hansen
www.deu.world-war.ru

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