Heiliger Bischof und Chirurg: eine Hilfe fuer die Soldaten dort, wo es ihm anvertraut ist…
Der heilige Bischof Lukas (Valentin Felixowitsch Wojno-Jassenetzki) wurde am 27. April 1877 in der Stadt Kertsch in einer Familie von Adligen geboren. Er absolvierte die Kiewer Schule für Kunst. Im Jahr 1898 wurde er Student an der Fakultät fuer Medizin der Kiewer Universität. Nach Studienabschluss arbeitete er in den Jahren des russisch-japanischen Kriegs als Chirurg im Kriegshospital von Tschita, wo er eine Krankenschwester des Kiewer Kriegshospitals, A. W. Lanskaja, heiratete. Seit Maerz 1917 war er Chefarzt des Taschkenter städtischen Krankenhauses. Im Oktober 1917 verstarb seine Frau Anna an Tuberkulose und hinterliess ihm vier Kinder. Im Februar 1921 wurde er vom Bischof von Turkestan Innokentij zum Priester geweiht.
Im Mai 1923 wurde Erzpriester Valentin Wojno-Jasenetzki von Bischof Andrej (Uchtomski), der in der Verbannung lebte, geheim zum Moench auf den Namen des hl. Apostels Lukas geschoren, und am 31. Mai empfing er die Bischofsweihe in Pendschikent. Daraufhin erfolgten die erste Verhaftung und eine dreijaehrige Verbannung nach Sibirien.
Im Jahr 1930 kam es zum zweiten Exil – man verhaftete den Bischof und schickte ihn nach Archangelsk. Im Herbst 1934 gab der Bischof die Monographie „Abriss der septischen Chirurgie“ heraus, die weltweite Beruehmtheit erlangte. Der Ausbruch des zweiten Weltkriegs fiel fuer den 64-jaehrigen Bischof mit der dritten Verbannung zusammen. Er schickte Kalinin ein Telegramm, in dem er schrieb: „In meiner Eigenschaft als Spezialist auf dem Gebiet der septischen Chirurgie kann ich den Soldaten an der Front oder im Hinterland Hilfe leisten, dort, wo es mir anvertraut wird… Nach Beendigung des Krieges bin ich bereit, in die Verbannung zurueckzukehren. Bischof Lukas.“
Zu dieser Zeit wurde in Krasnojarsk (wo er sich in Verbannung befand) ein sehr grosses Krankenhaus eingerichtet. Von der Front kamen bereits Transporte mit Verwundeten. Man ernannte Bischof Lukas zum Konsultant fuer alle Krankenhaeuser des Krasnojarsker Gebietes. Bis zu den Ellenbogen versank er in der anstrengenden chirurgischen Arbeit. Die verwundeten Offiziere und Soldaten liebten ihren Arzt sehr. Wenn der Professor seine Morgenvisite machte, begruessten sie ihn freudig. Einige unter ihnen, die in anderen Krankenhaeusern an ihren verwundeten Gliedmassen erfolglos operiert worden waren, gaben ihm Salut mit den hochgehobenen genesenen Beinen.
Der zur Pruefung als Inspektor angereiste Professor Priorow vermerkte, dass er in keinem anderen Krankenhaus so glaenzende Erfolge bei der Heilung infektioeser Verwundungen von Gliedmassen gesehen hatte. Die Taetigkeit des Chirurgen wurde mit einer Urkunde und Dankesbekundung seitens des Kriegsrates des sibirischen Militaerkreises ausgezeichnet. Die Arbeit von Erzbischof Lukas wurde auch mit der Medaille „Fuer den tapferen Einsatz im Grossen Vaterlaendischen Krieg 1941-1945“ und dem Stalinorden erster Klasse fuer die wissenschaftliche Ausarbeitung neuer chirurgischer Methoden bei der Heilung von septischen Erkrankungen und Verwundungen ausgezeichnet. Bischof Lukas war Autor von 55 wissenschaftlichen Arbeiten zur Chirurgie und Anatomie, sowie von Predigten in zwoelf Baenden. Die Verbannung des heiligen Bischofs endete Mitte 1942; im Herbst desselbenJahres wurde er vom Statthalter des Pariarchensitzes, Metropolit Sergij, zum Erzbischof ernannt und auf den Bischofssitz von Krasnojarsk berufen. Noch an der Spitze der Krasojarsker Eparchie stehend setzte er seine Taetigkeit als Chirurg fort.
Die Lage der Eparchie von Krasnojarsk im Maerz 1943 war schwer. Das ganze oestliche Sibirien von Krasnojarsk bis zum Stillen Ozean zeigte keinerlei Anzeichen kirchlichen Lebens. Nach Beobachtungen des Erzhirten und Beurteilungen sibirischer Priester war das sibirische Volk, besonders im Osten, wenig religioes. Gegen Ende des Jahres 1943 gab es in der gesamten Eparchie nur eine einzige winzige Gemeinde in Nikolaewka.
Die angespannte Arbeit Erzbischof Lukas in den Krasnodarsker Hospitaelern foerderte wissenschaftliche Resultete. Ende 1943 wurde die zweite ueberarbeitete und wesentlich erweiterte Auflage des „Abrisses der septischen Chirurgie“ herausgegeben, und 1944 erschien das Buch „Spaete Resektionen infizierter schusswaffenverwundeter Gliedmassen“. Fuer diese beiden Arbeiten wurde ihm der Stalinorden erster Klasse verliehen. Von den zweihunderttausend Rubeln dieser Praemie ueberwies der Bischof hundertdreissigtausend fuer die Hilfe an Kindern, die im Krieg zu Schaden gekommen waren. Seine Buecher erhielten ausgezeichnete Rezensionen im Kollegenkreis. Unter anderem schrieb Akademiemitglied I. A. Kassirski, dass man seine Werke in fuenzig Jahren wieder lesen werde.
1944 wurden die Abtransporthospitaeler nach Tambow verlegt. Bischof Lukas wurde zum Bischof-Konsultant ernannt. Ihn erwartete ein breites Taetigkeitsfeld in den Hospitaelern und im Kreiskrankenhaus. Junge Aerzte, die unter Anleitung des erfahrenen Professors arbeiteten, erhielten viele wertvolle Ratschlaege und Belehrungen. Im Februar desselben Jahres dehnte Wojno-Jassenetzki seine wissenschaftlich-praktische Arbeit aus. Der 67-jaehrige Bischof arbeitete acht bis neun Stunden am Tag und fuehrte taeglich vier, fuenf Operationen durch. All das wirkte sich auf seine waehrend der Gefaengnisaufenthalte und in der Verbannung ruinierte Gesundheit aus.
Im Januar 1944 wurde der hochgeweihte Bischof Lukas zum Erzbischof von Tambow und Mitschurinsk ernannt, und am 26. Mai 1946 zum Erzbischof von Simferopol und der Krim.
Im Grossen Vaterlaendischen Krieg kam es auf der Krim zu besonders erbitterten Gefechten. Als Vladyka [1] im Mai 1946 in Simferopol eintraf, spuerte er die Schwere des Verfalls der ersten Nachkriegsjahre. Nach seiner Ankunft im Jahr 1946 in Simferopol rechnete Vladyka damit, dass seine Kenntnis und Erfahrung in der Chirurgie gefragt sein wuerde. Doch es vergingen eineinhalb Monate, bis er die Erlaubnis erhielt, aerztliche Taetigkeit auszuueben.
Ab 1946 war Professor Wojno-Jassenetzki Konsultant am Simferopoler Krankenhaus und half dem Krankenhaus fuer Invaliden des Grossen Vaterlaendischen Kriegs. Bis Ende 1947 hielt er als Chirurg und Professor Vortraege und Vorlesungen fuer Aerzte, operierte Kranke und Verwundete. Aber allein das aeussere Erscheinungsbild des Professors, der zu seinen Vorlesungen bestaendig in geistlicher Kleidung und mit dem Medaillon der Muttergottes [2] erschien, reizte die Aerzte. In Aluschta unterbrach man einmal seinen Vortrag. Man entfernte ihn von der Arbeitsleitung der chirurgischen Ambulatorien und sagte seine Vorlesungen zur septischen Chirurgie ab. Man empfahl ihm, Vortraege zu medizinischen Themen nicht in bischoeflicher, sondern in Zivilkleidung zu halten. Der hl. Bischof Lukas weigerte sich. Daraufhin lud man ihn nicht mehr ein, Vorlesungen zu halten.
Der Erzbischof setzte seine aerztliche Praxis bei sich zu Hause fort. An der Tuer seines Kabinetts verkuendete ein Anschlag, dass der Inhaber der Wohnung Professor der Medizin sei und taeglich kostenlos Pazienten annehme, ausser an kirchlichen Festen und ihrem Vortag. Viele Kranke stroemten zu ihm.
Anfang des Jahres 1955 verlor Erzbischof Lukas vollstaendig seine Sehkraft. Vladyka verstarb am 11. Juni 1961, dem Tag des „Festes aller in Russland erschienen Heiligen“, und wurde auf dem kirchlichen Friedhof der Allerheiligenkirche in Simferopol beigesetzt. Im Jahr 1995 beschloss der Synod der Ukrainisch-Orthodoxen Kirche, dass der Erzbischof von Simferopol und der Krim Lukas als Heiliger oertlich verehrt werden kann. Das Bischofskonzil der Russisch-Orthodoxen Kirche des Jahres 2000 verherrlichte ihn als Bekenner in der Schar der russischen Neumaertyrer und Bekenner.
[1] woertl. „Gebieter“, die Anrede fuer einen Bischof in der orthodoxen Kirche – Anm. des Uebers.
[2] Die sog. „Panagia“, die einen orthodoxen Bischof auszeichnet.
Uebersetzt von Priester Thomas Diez