25 Juli 2007| Dieser Eintrag stammt von Kuemmel Julia

Erlebnisse im 3. Reich

Ich habe mich mit Frau Kuehn aus Hamburg unterhalten. Ich habe sie gefragt, ob sie mir etwas von dem Swing, den einige Jugendliche zu der Zeit, in der sie jung war, gehoert haben, oder von den Swingkids erzaehlen koenne. Daraufhin fing Frau Kuehn an zu erzaehlen: 

Sie sassen oft im Sommer am Fluss und hatten ein kleines Kofferradio, mit dem sie die streng verbotene Swingmusik hoerten. Diese Musik durfte man kurz vor und waehrend des 2. Weltkriegs nicht hoeren, weil sie aus Amerika kam. Immer wenn sie hoerten, dass jemand kam oder sie ein Schiff hoerten, haben sie schnell die Musik ausgemacht und das Radio versteckt. Eines Tages wurde jedoch ein Freund von ihr dabei erwischt und sofort ins KZ (Konzentrationslager) gebracht. Dort muss er eine schreckliche Zeit verbracht haben. Als er das KZ endlich verlassen durfte, wurde er gezwungen, einen Zettel zu unterschreiben, auf dem stand, dass er eine sehr angenehme Zeit im KZ verbracht haette, dass das  Essen gut geschmeckt hat usw. Er hat danach wirklich kein einziges Wort ueber seine Zeit im KZ verloren, weil er so grosse Angst hatte.  Diesen Zettel mussten viele Menschen unterschreiben.  Er gilt heute noch in Gerichtsverhandlungen, wenn fruehere KZ Haeftlinge wegen schlimmer Erlebnisse und deren Folgen klagen wollen.

Frau Kuehn hat mir auch von dem sehr strengen Ausgehverbot fuer Jugendliche, ab einer bestimmten Uhrzeit, sie glaubt es war 23 Uhr, erzaehlt. An einem Abend war ihre grosse Schwester kurz nach dieser Zeit auf dem Heimweg. Dann wurde sie von ein paar Maennern der Gestapo angehalten. Sie sei so schnell wie moeglich weggelaufen, doch direkt vor der Haustuer wurde sie wieder von ihnen eingeholt. Ihre Adresse und ihr Name wurden notiert und sie sollte auch in ein KZ kommen. Doch Frau Kuehn bekam, als sie davon erfuhr,  riesige Angst und erzaehlte ihrer Kindergaertnerin davon. Diese Kindergaertnerin hatte Verbindungen zu den Maennern von der Gestapo, und so liess sie diesen Zettel einfach verschwinden. Dadurch war die Schwester vor dem KZ gerettet.

Sie erzaehlte mir auch, dass durch den Krieg der Zusammenhalt viel staerker als heute war. Jeder half eben dem anderen wo es nur ging. Und der Krieg hat sie zwangsweise richtig kreativ gemacht,  weil es kaum etwas gab und es an allem mangelte. Frau Kuehn nahm z.B. einen alten Helm als Suppentopf, und sie hat sich die Kleidung aus allen moeglichen alten Pullovern die sie «aufrebbelte», neu gestrickt. Es gab zu der Zeit zwar natuerlich nicht so etwas wie die heutige Mode, aber sie und die Jugendlichen ihrer Zeit haben damals  versucht,  mit den Mitteln die sie hatten,  das schoenste daraus zu machen.

Quelle: www.kollektives-gedaechtnis.

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