22 September 2014| Iljaschenko Alexander, Erzpriester, projektleiter

Die Falle der Freiheit – der „heiligen“

Erzpriester Alexander Iljaschenko

Die Überschrift des Artikels ist aus dem russischen Lied „Der geliebte Knüppel“ entlehnt. Seine letzten Strophen lauten folgendermaßen:

Doch es kam der Tag und das Volk erhob sich. Es reckte den gebeugten Rücken empor und schüttelte die jahrhunderteschwere Last von seinen Schultern. Gegen seine Feinde erhob es den Knüppel. So geh nun voran, du Großes Volk! Vergiss dein Leid und deinen Kummer und singe der Heiligen Freiheit die freudige Hymne des dir teuren und geliebten Knüppels.

Dieses Lied war vor der Revolution sehr populär. Es wurde nicht nur auf Demonstrationen gesungen, sondern auch in Konzerten aufgeführt. Seine Botschaft wurde verstanden. Das Volk „streckte seinen gebeugten Rücken“, und begann mit einer solchen Wucht mit „dem Knüppel“ um sich zu schlagen, dass es Rechte und Schuldige, Alte und Junge, Arbeiter und Bauern, Kaufleute, Geistliche und Adlige traf. Alle bekamen ihn zu spüren. Dabei hatte bereits A. S. Puschkin davor gewarnt: „Bewahre uns Gott davor, mit anzusehen, wie die Russen sich erheben — sinnlos und erbarmungslos. Diejenigen, die unter uns unmögliche Revolutionen planen, sind entweder noch jung oder kennen unser Volk nicht oder aber sie sind herzlos und die anderen sind ihnen keinen Heller wert, ja, auch auf sich selbst geben sie nicht viel“.

Boris Alexandrowitsch Lazarewskij – ehemalig Kapitän bei der Marine und im Dienst bei der Gerichtsbehörde – hat, nachdem er die Revolution und den Bürgerkrieg überlebt hatte und in die Emigration gegangen war, folgendes geschrieben: „1918 gelang es mir sogar, einige kleine Artikel zu drucken, doch dann musste ich fliehen vor den Henkern und habe alles verloren. Doch die Liebe zu den Menschen, die entweder verführt worden waren oder aber den Verstand oder auch ihr Gewissen verloren hatten, kam mir nicht abhanden. Auf einem Schiff lässt es sich gut nachdenken und so kam mir einmal folgendes in den Sinn: Um ein Kind, eine törichte Frau oder auch politisch naive Menschen hart zu bestrafen, reicht es aus, ihnen zu erlauben, all das zu tun, was sie wollen. Danach wird nicht einmal der ärgste Feind eine solch abgrundtiefe Grube graben können, in die sich zu werfen jeder dieser Pechvögel voller Begeisterung bereit ist.  …“[1]

Doch ungeachtet dessen ist es scheinbar so, dass die Freiheit nach wie vor als das Heiligste des Heiligen angesehen wird, welche anzugreifen niemandem erlaubt wird. Freiheit ist jedoch nicht gleich Freiheit.

Freiheit, zu lieben und sich selbst zu opfern, Freiheit, das zu tun, was man zu tun hat, Freiheit, seine eigenen Interessen denen der Allgemeinheit zu unterstellen, Freiheit, stärker zu sein als seine Schwächen und Ängste. Freiheit, treu zu sein, mutig und edel. Ja selbst eine solche Freiheit als heilig zu bezeichnen, ist nicht möglich, da nur Gott allein heilig ist. „Und Jesus sprach zu den Juden, die an ihn glaubten: So ihr bleiben werdet an meiner Rede, so seid ihr meine rechten Jünger und werdet die Wahrheit erkennen und die Wahrheit wird euch frei machen“ (Joh. 8,31-32). Pilatus hat auf dem Richtstuhl, vor den man den Heiland geführt hatte, diesen danach gefragt: „Was ist Wahrheit?“ Pilatus jedoch hatte diese Frage nicht richtig formuliert: er hätte nicht fragen sollen „Was“, sondern „Wer ist die Wahrheit?“ „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben.“ Zu verstehen, was die Wahrheit ist und in der Folge dann wahre Freiheit zu erlangen, kann man nur, wenn man Christus nachfolgt.

Die moderne westliche Welt jedoch lehnt entweder genau dies ab, wozu Christus die Menschen aufgerufen hat, oder aber bemerkt es in seiner höflichen Art einfach nicht. Deshalb versteht es unter dem Wort „Freiheit“ etwas, was dem christlichen Verständnis völlig entgegensteht.

Freiheit, ein Egoist zu sein und sich nur um sich selbst kümmern. Freiheit, das zu tun, was man will, ohne auf die anderen um sich herum Rücksicht zu nehmen. Freiheit, zu beleidigen und beleidigt zu reagieren. Freiheit, sich im Recht zu sehen und alle die, die mit einem nicht einverstanden sind, in die Liste seiner Feinde aufzunehmen und sie überhaupt gar nicht erst als vollwertige Menschen anzusehen. Freiheit, sich groß zu tun mit seinen Leistungen, die man sich in der Regel jedoch meist nur einbildet, und dabei seine eigenen Unzulänglichkeiten nicht zu bemerken. Eine solche Freiheit ist sehr aggressiv und gerade eine solche Freiheit kommt als „nackte“, hungrige und erbitterte Freiheit daher und stürzt alle diejenigen schnell in Armut und Not, die das Pech haben, ihr im Weg zu stehen.

Die Französische Bürgerliche Revolution hatte sich die Losung „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“ auf die Fahnen geschrieben. Gleichheit und Bürgerlichkeit haben sich nicht etablieren können. Staaten und Völker jedoch nahmen sich die Freiheit, solch verheerende Kriege zu führen, vor denen die grausamsten Kriege des Altertums nur verblassen. Doch im Unterschied zum Altertum hat man in der neusten Zeit die Vernichtung von anderen, die einem ebenbürtig sind, zynisch hinter schönen Losungen versteckt. So hat zum Beispiel das Faschistische Deutschland seinen Krieg gegen die UdSSR, dessen wahres Ziel es war, das russische Volk zu vernichten, als einen „Kreuzzug gegen den Kommunismus“ betitelt. Sowjetische Kriegsgefangene und andere „vom Rassenstandpunkt her gesehen Unterentwickelte“ wurden in den Öfen der Krematorien verbrannt. Den Flammen der Öfen fielen nach Einschätzungen aus den Nachkriegsjahren mehr als 8 Millionen unschuldige Menschen zum Opfer — Alte, Frauen und Kinder eingeschlossen. Heute wird die Anzahl der Opfer um ein Vieles verringert und auf zwei Millionen gedrückt.

Die USA und England, die sogenannten Bollwerke der Demokratie und des Kapitalismus, haben den Bürgern des Deutschen Reiches, die sich weit im Hinterland befanden, die Freiheit vom Totalitarismus auf den Flügeln schwerer Bombern gebracht: „Fliegende Burgen“, „Avro Lancasters“ und „Liberators“. In den Flammen der Brände, die zu gewaltigen Feuersbrunsten mutierten, verbrannten Alte, Frauen und Kinder bei lebendigem Leibe. Nach verschiedenen Angaben wurden zwischen 600 Tausend und 2 Millionen Menschen Opfer dieser flächendeckenden Bombardierungen.

Das ist natürlich um ein Vieles weniger als die Zahl derer, die in den Konzentrationslagern umgekommen sind, doch diese Zahl allein lässt einen aufschrecken. Was macht es aber für einen Unterschied, ob es nun 600 Tausende waren oder aber 8 Millionen? Die Leiden all derer, die lebendig in den Flammen der Brände umgekommen sind, werden dadurch nicht verringert. Wenn man die neusten Berechnungen heranzieht, dann nehmen sich die Gräueltaten der Faschisten und die der „Befreier“ quantitativ nicht viel.

Auf die Toren von Ausschwitz haben die Faschisten voller Zynismus geschrieben: „Arbeit macht frei“. Der Name des schweren amerikanischen Bombers B-24 „Liberator“ bedeutet „Befreier“. Es erschüttert nicht nur die ungeheuerliche Zahl der Opfer, sondern auch der Zynismus sowohl der Faschisten wie auch der Vertreter der sogenannten Demokratie, die aus irgendwelchen nur ihnen bekannten Erwägungen die Vernichtung von schutzlosen Menschen mit Befreiung gleichgesetzt haben.

Vor einigen Jahren war es mir vergönnt, nach Strasbourg zu reisen. Strasbourg ist die Hauptstadt und zugleich die bedeutendste Stadt der Region Elsass, im Nordosten von Frankreich, nicht weit von der Grenze zu Deutschland gelegen. Es ist eine sehr schöne Stadt, die ihre Geschichte bis in die Zeit des Römischen Reiches zurückverfolgen kann. In der Stadt ist der alte Stadtkern erhalten geblieben. Zu ihm gehört auch das berühmte Straßburger Münster, das so fein wie Plauener Spitze durch Steinmetzarbeiten verziert ist. Es scheint so, als ob die Zeit diese Stadt verschont habe. Doch wenn man genauer hinsieht, dann weiß man, dass es nicht so ist.

In der Zeit des Zweiten Weltkrieges wurde die Stadt bombardiert und auf diese Weise ein Teil ihres Stadtgebiets von der historischen Bausubstanz und von ihren Bewohnern „befreit“. Auf dem „befreiten“ Areal wurden dann später die Gebäude des Europarates und des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte, des europäischen Direktoriums für Arzneimittelkontrolle und des Europäischen audiovisuellen Observatoriums, des Europäischen Parlaments und der Europäische Schiedsstelle der Europäischen Union errichtet. Wenn man sich aus dem Stadtzentrum kommend in Richtung Europarat bewegt, dann kann man sehen, wie die historische Bebauung plötzlich abbricht und durch moderne Architektur ersetzt ist. Das Gericht von Strasbourg verrichtet seine Arbeit dort, wo unschuldige Menschen zu Tode gekommen sind, man könnte sagen, es steht auf ihren Knochen. Die Schuldigen an ihrem Tod sind bis heute nie bestraft worden. Von diesen grausamen Tatsachen schweigen die Kataloge und Reiseführer in ihren sonst so schönen Formulierungen.

Ungeachtet der unzweifelhaft erheblichen Verluste haben die Stadt und ihre Bevölkerung im Vergleich mit anderen nicht sehr stark gelitten. Solches lässt sich jedoch nicht sagen bezüglich vieler anderer Städte, die bombardiert wurden, einzig und allein, um sie völlig zu zerstören. Wir sprechen dabei gerade von friedlichen Städten, die weit entfernt von der Frontlinie gelegen waren, und nicht von denen, die, wie zum Beispiel Stalingrad, zur Arena einer erbitterten Schlacht geworden sind. Natürlich können sich auch in einer friedlichen Stadt Objekte befinden, die von strategischer Bedeutung sind. Doch bombardiert wurden nicht so sehr solche Objekte, sondern eher Wohnviertel, in denen Menschen friedlich miteinander lebten.

Um zum Beispiel die Produktion von Flugzeugen und Panzern, U-Booten und anderer Militärtechnik zu stoppen, reicht es aus, Fabriken zu zerstören, die Kugellager herstellen. Ohne Kugellager funktioniert kein Getriebe. Es hätte also ausgereicht, alle Anstrengungen der strategischen Luftstreitkräfte auf die Zerstörung von Kugellagerfabriken zu richten. Aber nein! Bis zum Ende des Krieges konnte Deutschland seine Rüstungsproduktion immer weiter steigern, weil die Kommandozentrale der Alliierten die Vernichtung von Menschen zum Hauptziel erklärt hatte. In dieser völlig unmenschlichen Haltung einfachen Leuten gegenüber, sind die liberalen Werte wohl kaum noch von einem  Totalitarismus zu unterscheiden, dessen extremste Form der deutsche Faschismus ist.

Ich möchte ein Zitat anbringen, dass höchstes Interesse verdient.

„Der Teil der Menschheit, der nicht angepasst, desinteressiert, konsumverführt und kritiklos dahinvegetiert – wahrscheinlich ist es der kleinere Teil – lässt sich von dem sogenannten zivilisierten Westen nicht täuschen.

Kaltblütige Mörder in weißen Westen, die mit ihrem Lächeln auf allen Bildschirmen der Welt glänzen, halten in ihren Händen Milliarden von Lakaien – Journalisten, Schriftsteller, „Gelehrte“ und „Historiker“, die den grandiosen Mythos der ach so rührenden „allgemeinmenschlichen Werte“ schaffen und unterstützen – die hinter einem halbdurchsichtigen Schirm, die eiskalte, habsüchtige Seelenlosigkeit des Westens verstecken, der in sich selbst abgestorben ist und sich nun an der gesamten Menschheit für seinen eigenen Untergang rächt.

Aber auch die „weißen Westen“ selbst, die angetrieben sind von denen, die versteckt vor Millionen Augenpaaren ganze Schicksale entscheiden: von der Supermafia der Bänker und Finanzhaie, für die es auf der Erde keine Staatsgrenzen gibt. Auf dieser Ebene ist die Kaltblütigkeit noch erbarmungsloser. Hier hat sich schon ein solcher Typ von menschenähnlichem Wesen herangebildet, der Erquickung findet in satanischen und perversen Ideen.

Die äußerlich sichtbaren Ergebnisse ihrer „Zusammenarbeit“ konnte man in den letzten Jahren besonders klar im Irak, in Serbien und in Russland erkennen, wo Menschen zu Tausenden vernichtet wurden. Dazu wurde empfohlen, wenn schon sich nicht zu freuen, so doch schweigend zuzusehen“.

Ich möchte von mir selbst noch hinzufügen, dass die verheerenden Ergebnisse ihrer „Arbeit“ nun auch im Osten der Ukraine zu sehen sind, die man in das blutige Chaos eines Bürgerkrieges stürzen will, ohne davor Halt zu machen, Männer und Frauen, die man zuvor in eine Falle gelockt hat, in den Flammen eines Brandes verbrennen zu lassen, oder sie durch Artillerie in ihren Wohnvierteln zu erschießen. Die Schlinge der „grenzenlosen Freiheit“ hat sich nun dem vielgeplagten ukrainischen Volk an den Hals geworfen und die, die sie vor dieser Schlinge bewahren wollen, werden für Schuldige erklärt, da sie angeblich gegen die „heilige Freiheit“ sind.

Das Vorgehen der Liberalen, also der Bannerträger der Freiheit, worunter sie verstehen, dass den Auserwählten alles erlaubt ist, führt nur dazu, dass das Leben für die einfachen Menschen immer schlechter wird. So hat der bekannte amerikanische Ideologe Zbigniew Brzezinski ein Buch geschrieben und ihm den Titel gegeben: „Das große Schachbrett“. Derjenige, der es versteht, auf hohem Niveau Schach zu spielen, wird „Großmeister“ genannt. So kann man dann auch den, der auf dem „Großen Schachbrett“ spielt und Verbindungen hat zum Beispiel zu einem Magister des Templerordens, einen „Herausragenden Großmeister“ nennen.

Nach wie vor „ist unser Planet – wie es Majakowskij einmal gesagt hat – schlecht ausgerüstet für die Freude“, wegen des Vorteilsdenkens, der Dummheit und stolzen Beschränktheit solcher „Großmeister“. Sie bewegen Völker und Länder auf dem von ihnen selbst erdachten „großen Schachbrett“ wie Bauern hin und her. Ungeachtet dessen, dass ihre „Schachzüge“ den Ländern und Völkern nur großes Unheil bringen, lässt die dienstbeflissene Propaganda alle glauben, dass alles nach Plan läuft, weil eine neue Weltordnung errichtet wird. Dieser Begriff war zuerst unter Napoleon in aller Munde und wurde dann von Hitler aufgegriffen. Heute nun erlangt er wieder neue Popularität.

Sowohl unter Napoleon wie auch unter Hitler fügten sich die europäischen Völker dieser neuen Weltordnung. Nur das russische Volk zeigte sich widerspenstig dem Bösen gegenüber und erlangte in einem ungleichen Kampf den Sieg über die Mächte Europas, die zunächst Napoleon vereinigt hatte und dann Hitler. Doch der Kampf wurde immer schwerer. Wenn Russland den Angriff Napoleons innerhalb eines halben Jahres zurückschlagen konnte, so brauchte es für den Sieg über Hitlerdeutschland und seine Verbündeten schon vier Jahre und unzählige Opfer.

Bereits im 18. Jahrhundert hat der große deutsche Dramaturg Schiller gesagt, dass nur Russen selbst die Russen besiegen könnten. Im 20. Jahrhundert haben die „kaltblütigen Mörder in den weißen Westen“ nun endlich begriffen, dass es niemand im bewaffneten Zweikampf mit Russland aufnehmen kann. Deshalb hat man sich nun ebenso auch wie das faschistische Deutschland, das sich bei der Eroberung einer Reihe von Ländern auf die „Fünfte Kolonne“ gestützt hatte, auf Gesinnungsgenossen und Verbündete in Russland selbst konzentriert und auf die moralische Zersetzung des russischen Volkes gesetzt.

Dabei waren sie allerdings nicht die ersten. Der große russische Schriftsteller F.M. Dostojewskij, der ohne Zweifel die Gabe hatte, die Zukunft zu erahnen, lässt durch einen seiner negativsten Gestalten im Roman „Die Dämonen“, durch Pjotr Werchowenski ähnliche Gedanken ausdrücken: „Wir lassen Trunksucht, Gerüchte und Denunzierungen zu, wir lassen bisher nie dagewesene Laster blühen und löschen jegliches Genie in seinen Anfängen aus“. Weiterhin sagt Werchowenski: „Hören Sie, ich habe sie mir alle zusammengerechnet: der Lehrer, der sich mit den Kindern über ihren Gott und über ihre Wiege lustig macht, gehört schon zu uns. Der Anwalt, der einen gebildeten Mörder mit dem Hinweis darauf verteidigt, dass dieser selbst seinen Opfern geistig überlegen sei und dass er, um Geld zu erlangen, einfach nicht anders konnte, als zu morden, ist auch einer von uns. Die Schuljungs, die einen Bauern totschlagen, um das Gefühl, das man dabei empfindet, kennen zu lernen, sind auch auf unserer Seite. Die Geschworenen, die ohne Ausnahme die Verbrecher freisprechen, gehören ebenso zu uns wie auch der Staatsanwalt, der sich bei Gericht ängstigt, er erscheine vielleicht nicht liberal genug. Von den Verwaltungsbeamten und den Männern der Feder, oh, sind viele auf unserer Seite, sehr viele sogar, und sie wissen es selbst nicht einmal! Auf der anderen Seite hat der Gehorsam der Schüler und Dummköpfe den höchsten Grad erreicht; den Lehrern aber ist die Galleblase geplatzt und sie lehren dementsprechend. Überall maßlose Hoffart, unerhörte viehische Begierde. Wissen Sie, wissen Sie, wie viele wir schon allein durch unsere gebrauchsfertigen Ideen gewinnen? Als ich abreiste – grassierte die Littrésche These, ein Verbrechen sei eine Geistesstörung. Jetzt, wo ich wiederkomme, ist ein Verbrechen, siehe da, schon keine Geistesstörung mehr, sondern geradezu ein gesunder Gedanke, ja, beinah eine Pflicht, wenigstens ein edle Form des Protestes. Wie sollte denn ein geistig hochgebildeter Mörder nicht töten, wenn er nun einmal Geld braucht! Doch das sind nur kleine, unbedeutende Kirschen. Der Russische Gott hat schon versagt vor „dem Fusel“. Das Volk säuft, die Mütter sind betrunken, die Kinder sind voll, die Kirchen aber leer und in den Gerichten hört man: „zweihundert Stockschläge oder aber schleppe einen Eimer Schnaps herbei“. Lassen Sie nur diese Generation heranwachsen! Es ist nur schade, dass wir keine Zeit haben zu warten, sonst könnten wir alle noch tiefer in ihrem Suff versinken lassen!“

Man sollte seine Gegner nie unterschätzen, schon gar nicht so schlaue und erbarmungslose. Ebenso ist es nicht angeraten, sich in Selbstzufriedenheit zu wiegen und seine eigenen Schwächen nicht sehen und so seine Beschränktheit und seinen Unverstand zur Schau zu stellen.

Es ist notwendig zu begreifen, warum eine so große Weltmacht zerfallen konnte, wie dies geschehen ist und warum unter uns soviel Zwietracht herrscht! Nehmen Sie ein beliebiges kompliziertes und aktuelles Problem, und Sie werden sehen, wie verschieden sogar einander ganz nahestehende Menschen darüber urteilen. Unsere starke Seite, die Widerspenstigkeit, wird sich in solchen Diskussionen sehr bald als Unversöhnlichkeit und Feindseligkeit darstellen. Doch diese Widerspenstigkeit sollte gegen das Böse und die Lüge gerichtet sein, nicht aber gegen jemanden, der das Recht hat, eine andere Meinung zu vertreten. Denn jemand anderes muss nicht unbedingt mit uns übereinstimmen, zumal weder die eine noch die andere Seite im vollen Besitz sämtlicher Informationen ist.

Auf verschiedenen Foren bin ich nicht selten auf die Ansicht gestoßen, dass „es bei den Gegnern nichts zu lernen gibt und dass diese zu vernichten sind“. Das ist aber doch völlig unsinnig! „Liebe deine Feinde, schlage die Feinde deiner Heimat und bekämpfe die Feinde Gottes“ – so hat es Metropolit Filaret von Moskau einmal ausgedrückt. Feinde sollte man nicht vernichten, sondern vielmehr verblüffen und besiegen. Jemanden besiegen jedoch kann man nicht nur durch Waffengewalt, sondern auch durch Großzügigkeit. Der berühmte Eroberer Sibiriens, der Ataman Ermak, hat durch seine „Zärtlichkeit“ mehr erobert als durch sein Schwert.  Zar Peter der Große hat schwedische Generäle, die er zuvor besiegt hatte, zu einem Festmahl geladen und „auf seine Lehrer, die Fremden“ einen Tost gehalten. Eben durch diese Großzügigkeit zeichneten sich unsere Vorfahren aus und fanden es deshalb nicht schmählich, sich sogar bei ihren erbittertsten Feinden etwas abzuschauen und alles Gute von ihnen zu übernehmen.

So führen zum Beispiel unsere Gegner auf sehr erfolgreiche Weise einen Informationskrieg, bei dem wir leider aus irgendwelchen Gründen in der Verliererposition sind. Es gibt also etwas von ihnen zu lernen! Natürlich bedarf es, um die Menschen an der Nase herumzuführen, gewaltige Summen. Wenn man aber einfach die Wahrheit sagt, braucht man dafür nicht viel Geld. Es reicht eine ruhige und gesunde Bewertung der aktuellen Ereignisse und dabei die Erfahrung unserer Vorgänger mit der eigenen Geschichte und der Geschichte der Welt heranzuziehen. Wenn die Massenmedien ihrer Leser- und Hörerschaft mit Achtung und wahrhaftigen Informationen entgegentreten, dann schenken die Menschen solchen Informationen Glauben und sind ihnen freundlich gesinnt. Denn die Wahrheit kommt immer selbst zu ihrem Recht.

Wir erleben jetzt einen Wendepunkt in einer, man kann sagen, tragischen Zeit. Wie schon in den Zeiten des Großen Vaterländischen Krieges kann unser Volk erneut auf wohltuende Weise seine große Kraft unter Beweis stellen. Doch das Volk – das sind wir selbst. Von jedem von uns hängt es ab, dass das Bewusstsein der eigenen Identität , die wir von unseren großartigen Vorfahren geerbt haben, nicht erlischt, sondern dass wir uns gegenseitig ermuntern, sie voller Kraft erstrahlen zu lassen und so nicht nur unser Volk, sondern die gesamte Welt aus dem Abgrund herauszieht, in den sämtliche Werchowenskis, Brzezinkis und alle anderen menschenähnlichen Wesen in weißen Wesen, die ihnen gleichen, diese Welt stürzen wollen.

 


[1] Marinegeschichten von Bizertin. Lazarevskij, B.A. Der Anfang vom Ende. Moskau. 2003. S. 111.

 

Uebersetzt von Henrik Hansen
www.deu.world-war.ru

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